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AL mißtraut ihrem Mißtrauen

Die Alternative Liste will erneut über den Mißtrauensantrag gegen Momper beraten/ CDU kündigte an, an der Abstimmung nicht teilzunehmen/ Die drei AL-Senatorinnen reichten ihren Rücktritt ein  ■ Aus Berlin Kordula Doerfler

Das Wahlkampf-Hickhack in Berlin ging gestern heftig weiter. In beiden Teilen der Stadt standen die politischen Konsequenzen aus dem Polizeieinsatz nach den Häuserräumungen der letzten Woche auf der Tagesordnung. Im Schöneberger Rathaus kam die AL-Fraktion erneut zu einer Sondersitzung zusammen, um über den am Donnerstag angekündigten Mißtrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister, Walter Momper, zu beraten. Offensichtlich hatte sich über das Wochenende der Widerstand aus der Parteibasis geregt, die monierte, mit einem Mißtrauensvotum gegen den Regierenden seien alle Türen für Rot-Grün nach den Wahlen am 2. Dezember zugeschlagen. Auf Betreiben des Parteivorstandes, der letzte Woche noch einem Mißtrauensantrag zugestimmt hatte, wurde in der Fraktionssitzung kein Antrag formuliert und für gestern abend erneut ein Delegiertenrat einberufen, an dem die gesammelte Parteiprominenz teilnehmen wollte.

Mittlerweile gilt es keineswegs mehr als sicher, daß die AL tatsächlich ein Mißtrauensvotum stellen wird, da die SPD am Wochenende deutlich signalisiert hatte, daß es dann ganz schwer werde mit Rot- Grün. Darüber hinaus hat CDU- Fraktionschef Eberhard Diepgen entgegen den ersten Äußerungen seitens seiner Partei angekündigt, die CDU werde an der entsprechenden Sitzung des Abgeordnetenhauses nicht teilnehmen, sondern statt dessen lieber Wahlkampf auf der Straße treiben. „Die CDU wird sich nicht an einer parlamentarischen Scheinabstimmung beteiligen, die nur zu einer Demontage des Parlamentarismus führt“, begründete das Diepgen.

Kurz nach der Bekanntgabe der neuen AL-Version in Sachen Mißtrauensantrag traten gestern die drei AL-Senatorinnen Sybille Volkholz (Schule/Sport), Michaele Schreyer (Stadtentwicklung und Umweltschutz) und Anne Klein (Frauen, Jugend, Familie) offiziell zurück und gaben beim Präsidenten des Abgeordnentenhauses ihre Rücktrittsschreiben ab. Schreyer und Volkholz beugten sich mit dem Rücktritt dem Beschluß der Fraktion, nur Klein wollte von sich aus zurücktreten. Alle drei wollen sich dafür einsetzen, daß es nicht zu einem Mißtrauensantrag gegen Momper kommt und forderten einen Runden Tisch zur Lösung des Hausbesetzerproblems.

Auch in der Stadtverordnetenversammlung in Ost-Berlin stand das Thema gestern auf der Tagesordnung. Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) sah sich genötigt, eine Regierungserklärung zu den Ereignissen der letzten Woche abzugeben, nachdem der ganze Magistrat in der letzten Woche durch Schweigen geglänzt hatte. Scharf kritisiert wurden die Polizeieinsätze von PDS und Bündnis 90.

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