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Anti-europäischer Wahn ist beendet

■ Freude bei Brüssels Eurofans über den Abgang des weiblichen „Dschingis Khan“

In aller Stille knallten gestern in Europas inoffizieller Hauptstadt die Sektkorken. Überschäumende Begeisterungsausbrüche verbot zwar das diplomatische Geschick, Freude kam trotzdem auf im Brüsseler EG- Hauptquartier. Endlich war man sie los, die „Erzfeindin Europas“, die angeblich nichts anderes im Sinne gehabt hatte, als die Arbeit der emsigen Eurokraten zu torpedieren. Angefangen hatte es vor elf Jahren, als die Briten den folgenschweren Fehler begingen, Margaret Thatcher zu ihrer Ministerpräsidentin zu machen. Die erste — europäische — Amtshandlung der Eisernen Lady zeigte den kontinentalen Eurofans, woher der Wind in Zukunft blasen würde: Thatcher monierte das EG-Budget, schließlich zahlte das Königreich ihrer Meinung nach mehr ein als es zurückerhielt.

Von da an ging es Zug um Zug: Ob bei der Wirtschafts- und Währungsunion, der politischen Union, engerer Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich, die britische Ex-Premierministerin war dagegen. „Hausfrauenmentalität“ warfen ihr ihre Kollegen vor, versteckten sich dann aber doch hinter ihrer anti-europäischen Schürze, wenn es um Sozial- oder Umweltpolitik ging. Denn während sie in den Binnenmarktfragen im Endeffekt immer nachgeben mußte, diente sie als willkommene Ausrede für zahnlose Beschlüsse wie der Sozialcharta oder zur Rettung der Nordsee. So mußte Thatcher nach elf Jahren erbitterter Kämpfe vergangenen Monat mitansehen, wie ihr heiß geliebtes Pfund dem Europäischen Währungssystem untergeordnet wurde. Gegen ihren Willen wurde vor kurzem auch ein Fahrplan für die Einführung einer einheitlichen Währung und der Einrichtung einer europäischen Zentralbank beschlossen. Stütze für ihre Hardliner-Politik hatte sie vor allem bei ihrem Busenfreund Ronald Reagan gefunden. Doch als der das Weiße Haus verließ, ging es auch mit Thatcher bergab.

Der Abgang ihres Vizes Sir Geoffrey Howe Anfang des Monats läutete dann das Ende ein. Der Mann mit der Hornbrille hatte die anti-europäischen Wahnvorstellungen seiner Herrin nicht mehr ertragen. Für sie war die EG ein „Alptraum“. Ziel der EG sei es, „uns durch die Hintertür in ein von Brüssel aus zentral geleitetes Europa zu führen“.

Wohl deshalb brüskierte sie Partei und EG-Regierungskollegen immer wieder. Mal wollte sie sofort die Sanktionen gegen Südafrika aufheben, ein anderes Mal die mittelosteuropäischen Staaten in die EG holen. Mit dem Abgang des weiblichen Dschingis Khan (Thatcher über sich), wird allerdings auch Langeweile einkehren.

Anderweitig macht man sich Gedanken über die Zukunft: Der Wettbewerbskommissar Sir Leon Britan will erst einmal den Ausgang der Wahlen abwarten. Dennoch macht er sich große Hoffnungen, im zukünftigen britischen Kabinett unter Heseltine Außenminister spielen zu dürfen. Ideologisch ist er keine echte Alternative. Der neoliberale Verleger ist so stockkonservativ wie seine frühere Chefin. Immerhin gilt er als Pro-Europäer. Daß die konservative Gallionsfigur der EG- feindlichen Linke zurückgetreten ist, bringt jedoch auch Labour in Schwierigkeiten. Jetzt müssen sie Farbe bekennen: Den ersten Schritt dazu unternahmen sie letzte Woche, als sie gegen die vom Europaparlament geforderte Demokratisierung der EG stimmten. Michael Bullard

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