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Die Zerstörung der Presse in Kuwait

■ „Saddam Hussein hat unsere Presse entführt — und damit die Seele des Landes“

In den frühen Morgenstunden des 2. August gehörten die Büros der kuwaitischen Zeitungen zu den ersten strategischen Zielen der einmarschierenden Truppen aus dem Irak. Geflohene Journalisten berichteten, daß die Satz- und Druckanlagen (darunter die modernsten der Welt) schwer beschädigt wurden. Ein Journalist aus Kuwait sagte: „Die Büros sämtlicher Zeitungen von Kuwait sind von irakischen Streitkräften eingenommen worden; viele unserer Kollegen wurden verhaftet, die Aufenthaltsorte von einigen unserer besten Journalisten sind unbekannt.“

Vor der Invasion war dieser winzige, aber superreiche Staat Heimstatt einer blühenden Presse gewesen; mehr als 50 Zeitungen erschienen hier, die ein außerordentlich breites Spektrum in politischer und intellektueller Hinsicht präsentierten. Die Tageszeitungen 'Al-Raay- Al-Aam‘, 'Al-Syasseh‘, 'Al Watan‘ und 'Al-Qabas‘ zählten ebenso wie die Monatszeitschrift 'Al-Arabi‘ zum Besten, was die arabische Presse zu bieten hat. Ihre Auflagen waren hoch — einige erreichten 150.000 Exemplare, und das bei einer Bevölkerung von 1,5 Millionen.

Dr. Mohammed Al Ruhami ignorierte die Befehle des irakischen Diktators und die Drohungen der neuen Junta von Kuwait, daß jede Zeitung, die außerhalb des Landes weiter erschiene, in die Luft gesprengt werde. Er publiziert jetzt seine Zeitung 'Al- Qabas‘ (Die Lichtquelle) in London. Er sagte: „Saddam Hussein hat die kuwaitische Presse entführt — und damit die Seele des Landes.“ Als die erste Ausgabe von 'Al-Qabas‘ am 12. August in London erschien, bemerkten aufmerksame Leser, daß viele bekannte kuwaitische Journalisten sich Dr. Rumahi angeschlossen und in den Dienst der „freien Presse von Kuwait in London“ gestellt hatten.

Die kuwaitische Tageszeitung 'Al-Anba‘ (Die Nachrichten) erscheint seit dem 15. August in Kairo.

In der kuwaitischen Nachrichtenagentur KUNA, neben Ägyptens MENA (Middle East News Agency) die größte arabischsprachige Nachrichtenagentur, spielt man mit dem Gedanken, sich ebenfalls in London niederzulassen. Vor der Invasion versorgte KUNA sowohl arabische als auch westliche Medien mit arabisch- und englischsprachigen Berichten. In den ersten Tagen nach der Invasion sandte KUNA Informationen an seine Kunden per Telex und Telefax.

Die Blüte der kuwaitischen Presse begann nicht mit dem Öl, sondern vor 15 Jahren mit dem Beginn des libanesischen Bürgerkriegs. Dieser Krieg wurde für die Zeitungen Kuwaits zum Auslöser ihres „Goldenen Zeitalters“, als nämlich mehr und mehr führende libanesische und dann auch andere arabische Journalisten für sie zu schreiben anfingen, und das nicht nur wegen des Geldes... Seit viele berühmte ägyptische Schriftsteller in Kuwaits Zeitungen publizierten, gehörte es zur Imagepflege aller arabischen Journalisten, dort ebenfalls zu veröffentlichen. Dieser zweite Boom fing an, als zwischen 1977 und 1979 so berühmte ägyptische Schriftsteller wie Muhammed Heikel, Mahmoud el Saadani, Lutfi el Khouli und sogar einige legendäre Nasser-Genossen sich von Präsident Anwar Sadat (wegen seines Vertrages mit Israel) distanzierten. In Ägypten wurde von ihnen nichts mehr gedruckt — und schnell schlossen kuwaitische Verleger Verträge ab. Mit ihnen gingen Tausende von Lesern in Ägypten und anderen arabischen Staaten über zu den Zeitungen aus Kuwait.

Es ist von bitterer Ironie, daß 'Al- Kuwaiti wa Al-Iraqi‘ (Die Kuwaiti- Irakische) eine der allerersten Zeitschriften war, die 1931 von Shaikh Abdul Aziz Al Rashed in Zusammenarbeit mit dem berühmten irakischen Reiseschriftsteller Yussef Al Bahri in Kuwait publiziert wurde. Ein anderer arabischer Nationalist aus Kuwait, Abdul Aziz Hussein, veröffentlichte 1946 in Kairo die Zeitschrift 'Al Baath‘. Die erste Zeitschrift jedoch, die ganz und gar in Kuwait hergestellt wurde, war 'Al Kadhema‘, 1948 von Ahmad el Saqqaf geleitet. In schneller Folge erschienen dann die Wochen- und Monatszeitschriften wie 'Al Raed‘ (Der Führer), 'Al-Imam‘ (Der Glaube) und 'Al Fajr‘ (Der Morgen).

Da politische Parteien in Kuwait nicht erlaubt waren, wurden Zeitungen und Zeitschriften zur Bühne für politische Diskussionen und intellektuelle Debatten — zumindest soweit sie weder den Islam noch die Herrschaft der Al-Sabah-Familie angriffen. Auch vor der Auflösung des Parlaments 1986 war die Presse bereits zum Austragungsort politischer Diskussion für die verschiedenen Fraktionen des Parlaments geworden. Als das Parlament nach einem Anschlag auf den Emir Sheik Jabber aufgelöst wurde, fanden auf den Seiten der Zeitungen erst recht die politischen Auseinandersetzungen statt, die eigentlich im Parlament hätten ausgetragen werden müssen. Der einzige Zeitpunkt, zu dem Kuwaits Presse sich eine politische Gängelung gefallen lassen mußte, war während des Golfkriegs 1980 bis 1989 — ironischerweise aufgrund irakischen Drucks; dennoch blieben sie wesentlich offener als Zeitungen in anderen Golfstaaten.

Ein kuwaitischer Journalist sagte: „Saddam ist wild entschlossen, unsere Presse umzubringen; das ist nur natürlich, denn damit bringt er die Seele des Landes um, die repräsentiert ist durch unsere Zeitungen. Durch sie schlägt außerdem das Herz einer freien arabischen Presse, und genau das ist es, was Saddam und Leute wie er am allerwenigsten ertragen können.“ Nach 22 Jahren Herrschaft hat die Baath-Partei im Irak jede Diskussion getötet; Saddam, seit 1979 Präsident, ist offenbar fest entschlossen, diesen Mord auch in andere Länder zu tragen. Safa Haeri/Adel Darwish

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