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Biologie-Professoren werden an Feminismus „gewöhnt“

■ Harvard-Professorin machte den Anfang / Über Stereotype der Biologie

Die Methode der direkten Konfrontation hatte bei den Bremer Biologie-Professoren nicht gefruchtet: Die reine Männerriege hatte es klar abgelehnt, sich vom Akademischen Senat eine im Bundesgebiet einmalige Professorin für „feministische Naturwissenschaft“ in ihre Reihen setzen zu lassen. Seit vierzehn Tagen nun werden die Herren mit einer sanfteren Methode bearbeitet, mit einem Langfrist-Stufenplan. Die Vertreterin der neuen Methode, die Bremer Sozialwissenschaftlerin Marlis Krüger: „Wir haben uns gesagt: Wie wäre es denn, wenn wir die so langsam dran gewöhnen und als erstes eine Gastprofessorin einladen? Und wenn wir schon anfangen, dann fangen wir Top an. Und was ist Top? Harvard!“

Gesagt. Getan. Sie lud die US- amerikanische Biologieprofessorin Ruth Hubbard nach Bremen ein. Die weißhaarige Ruth Hubbard, 66 Jahre alt, als Jüdin in ihrer Jugend aus Wien emigriert, ist an der Harvard-Universität gerade emeritiert und seit über fünfzehn Jahren mit „feministischer Naturwissenschaftsanalyse“ befaßt. Sie ist „top“ und ist doch gleichzeitig in ihrem warmherzig-freundlichen Auftreten alles andere als ein „feministischer Professoren-Schreck“. Ruth Hubbard über ihre Erfahrungen am Studiengang Biologie: „Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden. Ich habe dort ein Büro gehabt, ein Kollege hat es für mich geräumt. — Ich glaube, wir haben Türen geöffnet.“

Der Bremer Uni-Rektor Timm hatte das Vorhaben unterstützt und aus seinem Fonds die vierzehntägige Kurzzeit-Gastprofessur finanziert. Ruth Hubbard bot ein Kompaktseminar für interessierte NaturwissenschaftlerInnen an. Und sie hielt einen Gastvortrag vor den Biologie-Professoren. Ruth Hubbard: „Ich habe über den Einfluß von Geschlechterstereotypen auf die biologische Forschung gesprochen. Überall findet man in der Biologie das gleiche Bild vom aktiven Männlichen und vom passiven Weiblichen. Kulturelle Metaphern werden auf die Natur projiziert. Egal ob es um Ei- und Samenzelle geht, oder um Moleküle oder um Bakterien, wo das Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt: Überall wo zwei Elemente zusammenkommen: Wenn das eine in das andere eindringt, werden Geschlechtsstereotype zugeschrieben.“ Sie halte weder etwas davon, die Befruchtung beim Menschen klassisch-patriarchalisch zu interpretieren, als sei das Ei abwartend, passiv und der Samen erobernd, aktiv. Noch stimme sie der feministischen Umkehrung zu, die davon ausgehe, allein das Ei sei aktiv, indem es sich unter Millionen Mitbewerbern den ihm genehmsten Samen aussuche. Ruth Hubbard: „Warum kann man nicht von einer Äquivalenz ausgehen: Zwei Zellen kommen zusammen und sind daran zu gleichen Teilen beteiligt.“ Sie lehne es desahlb ab, bei Pflanzen dem Pollen ein „männliches“ Geschlecht und dem Blütenstempel „Weiblichkeit zuzuschreiben. Ruth Hubbard: „Bei Pflanzen diese Zuschreibung zu machen, damit hat man erst im 18. Jahrhundert angefangen. Vorher kam niemand auf diese Idee. Diese Zuschreibungen hindern Wissenschaftler daran, sich den Vorgängen so nähern, wie sich sich tatsächlich abspielen.“ So auch beim „Bienen-König“. Bis ins 18. Jahrhundert sei man selbstverständlich davon ausgegangen, daß an der Spitze eines Bienenvolkes ein „König“ throne. Erst als man den „König“ näher untersucht habe und auf Unmengen Eier gestoßen sei, habe man die Lehrmeinung in Richtung „Bienen-Königin“ geändert.

Mit Ruth Hubbards Abreise am Samstag ist der feministische Stufenplan für den Studiengang Biologie nicht beendet. Biologie-Studentinnen und die „Wissenschaftliche Einheit Frauenforschung“ haben Einvernehmen darüber erwirkt, daß der Studiengang Biologie für die beiden kommenden das Semester Gastprofessuren ausschreibt — Thema: „Frauenforschung in der Biologie mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaftsanalyse.“ Laut „Stufenplan“ sollen diese Gastdozentinnen nicht nur vierzehn Tage, sondern drei Monate am Studiengang Biologie verbringen — und für langsame „Gewöhnung“ sorgen. Barbara Debus

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