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LESERiNNENBRIEFE

LESERiNNENBRIEFE

Gipfel des Zynismus

betr.: »Das Schöne bleibt« (Nichts Neues im Kempinski-Krimi), taz vom 10.11.90

Am 9. November, dem Jahrestag der sogenannten Reichskristallnacht, konnten die offiziellen Philosemiten pflichtgemäß ihr tiefstes Bedauern über die an Juden im Dritten Reich begangenen Verbrechen zum Ausdruck bringen. Wenn es aber darum geht, die Enteignung — damals »Arisierung« genannt — der von den Kempinskis geführten Restaurantbetriebe und die von den Nazis verübten Morde an Mitgliedern der Familie Kempinski wenigstens beim Namen zu nennen, besteht angeblich kein »öffentliches Interesse«.

Man stelle sich vor: Wären die Kempinskis 50 Jahre später von real existierenden Sozialisten enteignet worden, hätten sie überlebt und könnten heute Anspruch auf Entschädigung stellen. Dagegen scheint die 1937 erfolgte Enteignung rechtens gewesen zu sein, denn nach Filbinger kann das, was damals Recht gewesen war, heute nicht Unrecht sein. Danach wird anscheinend heute noch in Deutschland ge- und verurteilt.

Der Gipfel des Zynismus: Die Hehler des von den Nazis geraubten Kempinski-Vermögens machen noch mit dem in der Gastronomie berühmten Namen Kempinski, dem Namen der Ermordeten, Reklame: »Das Schöne bleibt«! Herward Beschorner, Berlin

»Flüge« auf der Schiene

betr.: »Im Jahr 2010 rund 40 Millionen Passagiere pro Jahr« (Interview mit Klaus Peter Stuckert zur Flugentwicklung in und über Berlin), taz vom 13.11.90

[...] Ich kann Herrn Stuckerts Auffassung nicht nachvollziehen, daß die Verkehrsanbindung des Flughafens Schönefeld so dringend zu verbessern wäre. Flughafen Schönefeld ist die Endstation der S-Bahn von Oranienburg-Pankow-Ostkreuz und von Charlottenburg-Friedrichstraße-Alexanderplatz. Außerdem ist da zugleich ein Fernbahnhof mit Verbindungen direkt nach Dresden, Leipzig, Halle, Magdeburg, Rostock und stündlichem Sputnik nach Potsdam. Ein kurzer Bustransfer mit der BVG bringt einen vom Flughafengebäude zum U-Bahnhof Rudow oder, als teurer (und kaum genutzter) »Airport-Transfer«, in die Hotels der Stadt. Manch anderer Metropolenflughafen hat nicht so gute und schnelle Verbindungen in die Innenstadt und das Umland.

Da Schönefeld sowieso schon Fernbahnhof ist, bietet sich für Fluggesellschaften übrigens die Möglichkeit, »Flüge« auf der Schiene abzuwickeln wie etwa die »Lufthansa-Expresse« zum Frankfurter Flughafen. Die Anwohner würden's angesichts des Lärms und der weiteren Umweltverträglichkeit bestimmt zu schätzen wissen. [...] Ingo Franßen, Berlin

Komplexe antirassistische Arbeit

betr.: »Ein Netzwerk gegen Rassismus in Ost und West«, taz vom 9.11.90

In diesem Artikel wird der Eindruck hervorgerufen, daß die Organisation »SOS Rassismus« der Dachverband jeglicher antirassistischer Arbeit in Berlin sei. So wurde auch die Dokumentation der Infotelefone im Zusammenhang mit »SOS Rassismus« erwähnt.

Dem ist nicht so! Die unabhängigen Basisgruppen der Infotelefone stellen diese Dokumentation absolut unabhängig von »SOS Rassismus« zusammen.

Den Vorwurf, daß wir mit der Veröffentlichung von unrecherchierten Infos »eher den Hunger nach Gerüchten stillen« würden, weisen wir entschieden zurück. Im Gegensatz zur taz kennzeichnen wir solche Meldungen als unrecherchiert, um der Gerüchteküche Einhalt zu gebieten und genauere Infos zu erfahren. Die antirassistische Arbeit in dieser unseren Stadt ist aber doch viel komplexer, als sie im Kopf einer taz-Redakteurin existiert. Antifa-Infotelefon Westberlin

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