Philippinerinnen „wie Vieh“ verfrachtet

Das Ruhrgebiet ist einer der Umschlagplätze für die „Ware Mensch“/ Schlepper schleusen Philippinen via Bundesreplik nach Italien/ Polizei und Frauenministerin sind informiert, tun aber wenig  ■ Von Bettina Markmeyer

Bochum (taz) — Der Beamte vom Bundesgrenzschutz mochte zunächst nicht glauben, was ihm Frauen von „agisra“ (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung) berichteten: Versteckt im Dienstabteil des Schlafwagenschaffners sollten in der Nacht vom 18. Auf den 19. Oktober im Zug Frankfurt—Mailand philippinische Frauen illegal nach Italien gebracht werden. Doch als BGS-Beamte in ebenjener Nacht zugriffen, wurde der „Krimi“, in den sich der Bundesgrenzschutzmann versetzt gefühlt hatte, Wirklichkeit. Seine Leute nahmen drei philippinische Frauen und zwei Männer sowie den Schaffner fest. Eine Woche später wurde der BGS erneut fündig, diesmal im Zug München—Mailand: Wiederum befand sich drei Philippininnen im Abteil des Schaffners. Die beiden Schaffner wurden vernommen und wieder auf freien Fuß gesetzt, nach Angaben von „agisra“ wird gegen sie ermittelt. Weder beim BGS in Frankfurt noch bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Lörrach konnte man diese Angaben gestern bestätigen. Fünf philippinische Frauen und Männern wurden direkt aus der Haft abgeschoben. Nach Informationen von „agisra“ hätten sie in Italien als billige Arbeitskräfte in private Haushalte vermittelt werden sollen. Einer der Umschlagplätze für den Italienhandel ist das Ruhrgebiet. Von hier aus verfrachten Schlepper die Frauen „teilweise wie das Vieh in Güterwaggons“, so die Kölner Rechtsanwältin Sabine Weiss- Uliczka. Die Menschhändler verdienen gut daran, allein 10.000 bis 12.000 Mark für jede Person, die sie von den Philippinen in die BRD schleusen, der Transport nach Italien kostet noch einmal bis zu 1.800 Dollar extra. Philippinische und deutsche Frauen hatten nach eigenen Erkundigungen in den letzten Wochen die Kripo in Bochum, die Frankfurter Kripo und den Bundesgrenzschutz detailliert über die Aktionen der Menschhändler im Ruhrgebiet, in Wuppertal, Gießen und Frankfurt informiert. Die Frauen nannten den Behörden insgesamt zehn an dem Handel beteiligte Schieber mit Namen und Adressen, darunter einen der Hauptakteure aus Bochum.

Einziges Ergebnis ihrer Arbeit, so Heidi Thiemann von „agisra“ gestern, seien die Verhaftungen durch den BGS in den Zügen. „Ein zweifelhafter Erfolg, denn hier wurden wieder einmal die Opfer zu Tätern gemacht.“ Gegen die Hintermänner und -frauen des Menschenhandels habe die Polizei dagegen trotz der neuen Informationen nicht ermittelt. Bei der Bochumer Kripo hieß es im September, man habe nicht genügend Personal, um den Hinweisen nachzugehen. Dabei blieb man auch, als eine Informantin im Oktober Beweise für den von einem Bochumer Schieber mitorganisierten Italientransport anbrachte. Noch gestern war bei der Bochumer Kripo „von diesem Täter nichts bekannt“.

Auch die durch „agisra“ informierte Frankfurter Kripo sah keinen Grund, gegen die ihr teilweise bereits bekannten Händler aus dem Raum Gießen und Frankfurt Ermittlungen einzuleiten. Heidi Thiemann kritisierte gestern in Köln auch die nordrhein-westfälische Frauenministerin, Ilse Ridder-Melchers. Die Ministerin leitete die Informationen über die jüngsten Schlepperaktionen lediglich an den Innenminister weiter.