■ NOCH 3321 TAGE BIS ZUM JAHR 2000
: Eva Brauns Taschentuch

Der Markt für NS-Objekte ist durch den Fall des Dollars in Bewegung geraten. Das behauptet zumindest Ernst-Ludwig Wagner, Geschäftsführer bei Hermann Historica in der feinen Münchner Maximilianstraße. Auf der letzten großen Auktion des Hauses wurden haufenweise Andenken des Grauens zu Höchstpreisen verscherbelt. Angeboten wurden Propagandaplakate der Nazis, Flugblätter mit antisemitischem Inhalt und diverse Kriegspropaganda. „Ein Auktionshaus, das auf historische Objekte spezialisiert ist, kann die Geschichte nicht bei Kaiser Wilhelms Pickelhaube enden lassen“, meint selbstbewußt Herr Wagner. So wurden die geschichtsträchtigen Brokatschuhe der Magda Goebbels ebenso verhökert wie Hermann Görings Manschettenknöpfe.

Wagner will nicht ausschließen, daß so mancher Kunde nicht nur finanziell oder als Wissenschaftler „an dieser Zeit“ interessiert ist, sondern „auch mit dem Herzen dran hängt“. Da mag der Verkäufer wohl recht haben. Welchen historischen Wert sollte auch ein Taschentuch von Eva Braun oder der Tenniskoffer der Hitler-Geliebten besitzen. Ebenso fragt man sich, wer um alles in der Welt die beiden dilettantischen Aquarelle Hitlers mit Stadtansichten von München und Wien unbedingt besitzen wollte. Die Teetassen und Kaffeekannen aus dem persönlichen Tafelservice des „Führers“ werden vielleicht beim Kaffeekränzchen ein paar ewig Gestrigen gute Dienste leisten. Und wenn man dann so richtig ins Schwärmen kommt, holt man den Schnaps raus und das frisch ersteigerte Trinkkristall mit Hakenkreuzschliff. Mit dem Spaten, mit dem Hitler den Bau der Autobahn MünchenLinz eröffnete, ist nicht mehr viel anzufangen. Aber die goldene Taschenuhr, die Martin Bormann „seinem Führer“ aus Dankbarkeit für die Verleihung des Blutordens 1939 zum Geschenk machte, hat einen Liebhaber gefunden. Die mit den Initialen „AH“ versehene Uhr war mit 40.000 D-Mark aufgerufen worden. Ein Sammler aus dem Ausland ersteigerte das alte Chronometer schließlich für 50.000 D-Mark.

Die Sammler kommen aus aller Welt. „Nur der Handel mit Rotchina ist schwach“, witzelt der Geschäftsführer. Dafür bekommt er ja vielleicht bald ein paar Kunden aus der Sowjetunion. Dort scheinen sie sich nämlich auch wieder für Hitler zu interessieren. Das 'Militärhistorische Journal‘ beginnt noch in diesem Monat mit dem Abdruck von Mein Kampf. Damit erscheint das Machwerk zum ersten Mal in der Sowjetunion. Karl Wegmann