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Major ernennt seine Männerriege

■ Neues britisches Kabinett vorgestellt/ Unter den 22 Ministern ist keine einzige Frau

London (taz) — Der neue britische Premierminister John Major hat am Mittwoch abend sein Kabinett ernannt. Es ist eine reine Männerriege: keiner der 22 Kabinettsposten wurde mit einer Frau besetzt. Diese Personalpolitik löste gestern bei Tory- Hinterbänklerinnen heftige Kritik aus. Eine Abgeordnete sagte: „Mehr als die Hälfte der britischen Bevölkerung sind Frauen. Es ist eine Beleidigung für alle Frauen, daß keine von ihnen im Kabinett zu finden ist.“

Die Kabinettsumbildung umfaßte acht Posten. Ihr fielen vor allem diejenigen Minister zum Opfer, die der gestürzten Premierministerin Margaret Thatcher bis zum Schluß treu geblieben waren. Innenminister David Waddington wurde ins Oberhaus hinwegbefördert, und Tim Renton muß mit dem einflußlosen Job des Kunstbeauftragten vorliebnehmen. Transportminister Cecil Parkinson ersparte sich den Rauswurf und trat freiwillig zurück.

Majors Freunde dagegen wurden belohnt. Sein Wahlkampfleiter Norman Lamont wurde mit Majors altem Posten als Finanzminister beglückt. Major hielt auch sein Versprechen, seine beiden Kontrahenten um die Tory-Führung ins Kabinett aufzunehmen: Douglas Hurd bleibt Außenminister, während Michael Heseltine zum Umweltminister ernannt wurde. Da dieser auch für Kommunalangelegenheiten zuständig ist, fällt in seinen Arbeitsbereich auch die umstrittene Kopfsteuer, die mitverantwortlich für Thatchers Sturz war. Heseltine war von Anfang an einer der schärfsten Kritiker dieser Steuer und prophezeite, daß sie „die Partei versenken“ werde. In letzter Zeit war er allerdings vorsichtiger: Er sprach nicht mehr von der Abschaffung der Kopfsteuer, sondern von einer „grundlegenden Überprüfung“. Die WählerInnen erwarten von Heseltine, daß er seinen Worten Taten folgen läßt. Sollte er einen Rückzieher machen, würde das seine politische Karriere vermutlich beenden. Möglicherweise hat ihn Major gerade deshalb zum Umweltminister ernannt.

Das neue Gesicht in der Downing Street hat dazu geführt, daß bei Meinungsumfragen am Mittwoch die Tories einen Vorsprung von elf Prozent vor der Labour Party hatten. Mehr als zwei Drittel der Befragten sagten jedoch, Major müsse mit dem Thatcherismus brechen. Ralf Sotscheck

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