: Eine sanfte Boulevardzeitung?
■ 'Berliner Zeitung am Abend‘ geht seit heute als 'Berliner Kurier‘ auf den Markt/ Altlasten wurden abgeworfen
Berlin. Ganz still und leise vollzog sich die Metarmorphose der 'BZ am Abend‘ vom einzigen sozialistischen Boulevardblatt zu seinem westlichem Pendant. Seit heute gibt es für den Berliner an U- und S-Bahnhöfen den 'Berliner Kurier am Abend‘. Nicht mehr der alte Mann ruft um Käufer, sondern fesche Mädchen im neuen 'Kurier‘-Outfit bringen die Schlagzeilen unter die Leute. Die 'BZ am Abend‘ ist Vergangenheit — fast so, als hätte es sie nicht gegeben. »Der 'Kurier‘ hat keine Altlasten mitzuschleppen«, hieß es gestern im Editorial der Nullnummer. Und: Die Redaktion sei »neu zusammengesetzt worden«. So einfach ist das. Man nehme anteilig ein Drittel Westjournalisten, einen neuen Namen, ein neues Konzept, und schon hat man keine Altlasten mehr. Nur von einer »Altlast«, den Lesern, verspricht sich Gruner + Jahr eine ganze Menge (Gewinn). Keine andere Zeitung in Berlin hatte so viele Leser wie die S-Bahn-Zeitung 'BZA‘. So hofft der westdeutsche Chefredakteur, Wieland Sandmann, der auch schon im Axel-Springer-Verlag Erfahrungen sammelte, von der derzeitige Auflage von 65.000 bis 90.000 wieder auf 200.000 zu kommen. Der Erfolgszug von Gruner + Jahr auf dem östlichen Medienmarkt könnte sich damit fortsetzen. Sandmann, der schon die Dresdner und die Chemnitzer 'Morgenpost‘ aufgebaut hat, strickt dieses Konzept nun in Berlin weiter. Einen Vergleich mit dem Blut- und Busenblatt 'Hamburger Morgenpost‘ läßt er nicht zu. Denn sein Konzept ist, eine sanfte Boulevardzeitung zu machen, die glaubwürdiger ist, als es die in der früheren BRD sind. Man will auf Sensationshascherei verzichten und nicht soviel Klatsch auf die Seiten bringen. Sandmanns wichtigste Erfahrung sei, daß sich die Lesebedürfnisse im Osten von denen der Westdeutschen unterscheiden. Das habe er in Dresden und Chemnitz mitbekommen. Deshalb will er auf die Probleme der ehemaligen Ostler besonders eingehen. Denn die wissen, »wo ihnen der Schuh drückt«. Sandmann glaubt nicht, daß es Sinn macht, eingefärbte Westzeitungen auf den ostdeutschen Markt zu werfen. Anbau
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