Im Brustzwickkasten

■ Das Weibliche am Video: ein köstliches Seminar im Lagerhaus / Drei Tage Film Femmale

Das Weibliche an Videos, meinte Mitte der siebziger Jahre die Künstlerin Ulrike Rosenbach, ist: sie sind billig, von Amateurinnen zu handhaben und ohne Prestige. Dem Filmbüro ist es zu danken, daß von dieser Technik Faszinierte sich drei Tage lang im Lagerhaus Schildstraße mit ihrer jungen Geschichte befassen konnten; und das überwiegend lustvoll unter der kenntnisreichen Anleitung von Karin Bruns und Claudia Richarz.

Im deutschsprachigen Raum hat es begonnen mit Kunstvideos, in denen die vom Technologieschub erhoffte Demokratisierung des Mediums zunächst eher formal gesucht wurde: frau wollte herkömmliche Sehgewohnheiten, insbesondere beim Fernsehen, durch Verfremdung aufbrechen. Ausgehend von der behinderten Bewegung des eigenen Körpers und, schlimmer, dessen Verletzung, übten sich die Pionierinnen des Video in der Kritik eines männlich dominierten Kunstbetriebs.

In ihrem Spielfilm Unsichtbare Gegner überblendet Valie Export weibliche Posen aus bekannten Kunstwerken mit verquälten Stellungen lebendiger Frauen, die bemüht sind, sich diesen Posen anzugleichen. Friederike Petzold reizt der Autonomiegewinn: Wenn ich will, kann ich beim Video alles allein machen. In dieser neuen leibhaftigen Zeichensprache ist endgültig Schluß mit der fatalen Rollenteilung von „Der Künstler und sein Modell“... Ich kann gleichzeitig vor und hinter der Kamera agieren! Wie verblüffend nah die avantgardistische

Peepshow andersrum: der wirkliche Brustzwickkasten, in den jeder grabschen durfte, aber ohne zu gucken...

Suche nach einem neuen Selbstbild den parallel entstehenden Dokumentationen der BürgerInnenbewegung kommt, demonstriert Ulrike Rosenbachs Performance Frauen-Kultur-Kontaktversuch: Dabei rollt sie, nackt eingeschnürt ins Videokabel, mit der Kamera in der Hand (filmend) an einer Ausstellung von Frauenfotos aus unterschiedlichen Kulturen vorbei.

Mit dem Anspruch Jede kann Filme machen bedient sich die Aktionskunst auch der Elemente von Volks-und Jahrmarktkultur (Mixed Media) — so Valie Export mit ihrem (realen) Brustzwickkasten, wohinein jeder, der wollte, grabschen durfte, aber ohne zu

hierhin bitte

das Fernseh-Bild

mit den beiden urlaubenden

Frauen

„Touristinnen“, Video von Ulrike Zimmermann

gucken. Das voyeuristische Moment der Peep-Show — aufgegeiltes Sehen statt Berühren — wird umgekehrt, um zu zeigen: die weibliche Avantgarde ist offenherzig in ihren Emanzipationsbestrebungen — und äußerst hinterhältig...

In allen Dokumentationen bleibt die Erinnerung an das formale Experiment lebendig. Das macht sie widerständig und kann den Reiz erhöhen. Eine andere Geschichte: Arbeitermilieu, Berlin, Märkisches Viertel. Mittels eines Videos über den Zusammenbruch ihrer Freundin Irene avancierte die Sozialarbeiterin Helga Reidemeister zur gefeierten Filmemacherin. Bloß Irene blieb auch nach der vertrauensvollen gemeinsamen Dreharbeit, der eine bedrängende Authenzität gelang, in der Scheiße sitzen.

So funktioniert unsere Gesellschaft nun mal und sollte doch nicht so sein. Weswegen frau ja solche Filme dreht — worüber dann noch die Freundschaft zerbrechen muß... Aber daß zwei Frauen vor laufender Kamera derart ratlos davon erzählen —

können Sie sich sowas von Männern vorstellen?

Jedenfalls: der Wunsch, nach dem Seminar weiter miteinander zu tun zu haben, war einhellig. Was könnte womöglich eine Vernetzung bereits vorhandener Kenntnisse bringen?! Zumal immer mal wieder auch selbstkritische Töne über die unter Frauen immer noch verbreitete Technikscheu laut geworden waren.

Beide Referentinnen verabschiedeten sich mit dem Appell, ihnen für ihren Katalog weiblicher Videos aus dem deutschsprachigen Raum Produktionen zu schicken. Das Ziel ist, solche Arbeiten, die oft wegen fehlender Verleih- und Abspielmöglichkeiten ungesehen in Schubladen verschwinden, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Also: nichts wie hin mit den eigenen Werken zu Claudia Richarz, Jenischstr. 25, 2000 Hamburg 52. Und übrigens soll es im nächsten Jahr einen offenen Kanal in Bremen geben, wo das eine oder andere auch mal gesendet werden könnte... Konstanze Radziwill