Graf Matuschka reitet im MediaPark

NRW-Vorzeigeprojekt wird Privaten übereignet/ Immobilienschieberei statt medialer Innovationen  ■ Aus Köln Peter Hannemann

Rückblende 2. Oktober: Auf Kölner Kinoleinwänden ritt Lawrence von Arabien mit dem Mut der Verzweiflung gegen Ford Apache, um das erste „Filmfestival NRW Köln“ doch noch zu retten. Aber der rheinische Flop des Jahres war vorprogrammiert, zumal sich die Filmverantwortlichen in der NRW-Staatskanzlei öffentlich von der Premiere der Pleiten distanzierten. Als Ford Apache fiel, blieb nur einer stehen: Festivalorganisator Bernd Schaefers. Während in den Festivalkinos gähnende Leere herrschte, drohte Schaefers, zugleich einziger privater Gesellschafter der MediaPark Köln Entwicklungsgesellschaft (MPK), hinter verschlossenen Türen mit dem Rückzug aus Köln. Der MPK-Aufsichtsrat kam ihm mit einem Vertrag entgegen, der praktisch das Ende öffentlicher Kontrolle über Nordrhein- Westfalens medienwirtschaftliches Vorzeigeprojekt bedeutet.

Der MediaPark gilt seit fünf Jahren als Modell, mit dem das Bundesland demonstrieren will, wie es vom klassischen Industriestandort zum „Medienland“ mutiert. Aus einer City-nahen Kölner Bahnhofsbrache soll bis 1993 ein postmoderner „Medienstadtteil“ entstehen, wo Film- und TV-Produzenten mit Medienausbildern und -künstlern inmitten schnieker Architektur „Kommunikation“ betreiben, die die Posttochter Telekom technisch vermittelt. So nahm sich die neumediale Traumlandschaft jedenfalls noch 1985 aus, als Lokal- und Landespolitiker von der „einzigartigen Idee“ (Johannes Rau) ganz begeistert waren. Inzwischen steht auf dem Gelände tatsächlich eine Betonmischmaschine: Nach vornehin wird nun in die Hände gespuckt.

Gemanagt wurde das Projekt zunächst von stadtkölnischen Beamten, die aber erst richtig in Fahrt kamen, als Schaefers 1988 — lanciert vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium — Geschäftsführer der neugegründeten MPK wurde. Der Film- und Immobilienkaufmann sollte das 600-Millionen-Projekt vermarkten. Schaefers, dessen Name als Mitbegründer und vormaliger Geschäftsführer der Neuen Constantin eng mit Filmen wie Der Name der Rose und Die unendliche Geschichte verbunden ist, kaufte sich mit 801.600 DM auch als MPK- Gesellschafter ein. Wie die Stadt Köln und das Land Nordhrein-Westfalen hielt er 25,5 Prozent am bisherigen MPK-Stammkapital von 3,2 Millionen DM. Die restlichen 24,85 Prozent betreute — treuhänderisch für die Stadt Köln — die Düsseldorfer Treuhand AG.

Im Rückblick zeigte sich der schillernde Schaefers als durchaus emsiger MediaPark-Propagandist. Bis 1989 hatte er so viel japanische und US-amerikanische Investoren angekündigt, daß eine deutsche Immobilienfirma Kölner Lokalpolitikern glatt 86 Millionen DM für das MediaPark-Grundstück anbot, das die Kommune der Bundesbahn weit unter Marktpreis für 31,8 Millionen DM abgekauft hatte. Im letzten Moment vereitelte damals das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium den Deal: Die MPK, schließlich im Besitz des Areals, verkaufte selbst. Mit den Kölner Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerken, die für den MediaPark ein Umspannwerk bauen, zwei Versicherungen und zwei Immobilienfirmen wurden bodenständige Investoren gefunden, die für ihre Baublocks allgemeine tertiäre Nutzungen anpeilen. Allein bei der Neuen Constantin, die, von Schaefers an den Rhein gelockt, ein Multiplexkino bauen will, kann ein ausgesprochen medienwirtschaftliches Interesse ausgemacht werden. Isoliert vom vor Ort starken WDR und weiten Teilen der Kölner Kulturszene, steuert das Projekt darauf zu, ein Verschnitt aus Bürostandort und Rummelplatz zu werden.

Auf dem Rest, der den MediaPark eigentlich ausmachen sollte, blieb die MPK bislang sitzen. Dazu zählen das als öffentliches Medienbildungszentrum geplante „Komed“ und das vage umrissene Zentrum „Leonardo“, in dem Künstler mit Computern kreativ umgehen sollen. Bei beiden Vorhaben handelt es sich — MPK- Jargon: — um „weniger rentierliche Projekte mit öffentlicher Bedeutung“, die mit Gewinnen aus Grundstücksverkäufen finanziert werden sollen. Weil sich für die dafür vorgesehenen Baublocks aber keine Investoren fanden, tritt die MPK im Fall „Komed“ selbst als Investor auf. Im Fall „Leonard“ kommt wieder Schaefers ins Spiel.

Um das Schlüsselprojekt der NRW-Medienpolitik überhaupt noch medial designen zu können, warf sich die öffenliche Hand im MPK-Aufsichtsrat dem einzigen Privaten an den Hals. Nach einem Vertragsentwurf, der während des Filmfestivals zustande kam, aber erst im November bekannt wurde und der inzwischen — gegen die Stimmen der Grünen — den Hauptausschuß des Kölner Stadtrats passiert hat, wird Schaefers seinen Anteil auf 33 Prozent aufstocken. Stadt und Land ziehen sich auf ebenfalls ein Drittel zurück. Die dazu nötige Einlage von 798.400 DM wird ihm erst einmal mittelfristig gestundet. Damit Schaefers selbst investieren und neben „Leonard“ ein paar Studios bauen kann, wird er kreditfähig gemacht — sozusagen mit öffentlichen Geldern. Er erhält von der Stadt Köln ein Andienungsrecht (eine Art Bürgschaft), das er in Höhe von 12,8 Millionen DM beleihen kann. Die Summe entspricht dem aktuellen Verkehrswert seines — nach der Aufstockung — nominalen Anteils an einem künftigen MPK-Stammkapital von 4,8 Millionen DM. Im übrigen wird der Verkehrswert des gesamten Kölner Spekulationsobjekts mit offiziell 38,4 Millionen DM — zugunsten der Investoren — künstlich kleingehalten. Nach der heutigen Marktlage dürfte der tatsächliche Verkehrswert bei rund 120 Millionen DM liegen.

Egal, was passiert: Das Schlitzohr Schaefers gewinnt. Wenn sein Filmstudio tatsächlich einmal läuft, hat der Mann die Wahl, ob er es behält oder gewinnträchtig verkauft. Sollte sein Investment — wie schon sein Filmfestival — zum Flop werden und er doch noch aus der MPK aussteigen wollen, bekommt er seine 1,6 Millionenbeteiligung zum derzeitigen Verkehrswert von 12,8 Millionen DM ausbezahlt. Das Risiko liegt allein bei Stadt und Land. Mehr noch: Die öffentliche Hand gibt nun auch frühzeitig ihre bislang vertraglich vereinbarte Sperrminorität auf. Trotz vertraglicher Investoren-Bindung an das MediaPark-„Nutzungskonzept“ kann sie bei allen Veräußerungs-, Beteiligungs- und sonstigen Investitionsentscheidungen überstimmt werden. Als der Vertragsentwurf bekannt wurde, rumorte es sogar kurzfristig in der Kölner CDU.

Die SPD-Leute im MPK-Aufsichtsrat feiern es schon als Erfolg, daß der Vertrag nur zustande kommen soll, wenn ein weiterer Privater mit 1,6 Millionen DM in die unendliche Geschichte einsteigt. Der ist am Dom aber noch nicht gefunden: Aus dem Aufsichtsrat verlautet, daß die Münchner Finanzgruppe Matuschka, vom Müncher Schaefers für den MediaPark gewonnen, die Kölner Anlagemöglichkeit am Markt plazieren soll. Firmenchef Albrecht Graf Matuschka steht diversen Kapital- und Beteiligungsgesellschaften vor, von denen die in München angesiedelte Matuschka-Capital unlängst durch ihre engen Bande mit irakischen Raketenbauern auffiel.