: Die Karibik braucht viele Kubas
■ betr."Grenada: Melancholie und Stillstand,taz vom 27.11.90
betr.: „Grenada: Melancholie und Stillstand“, taz vom 27.11.90
Als direkter Augenzeuge des gewaltsamen Umsturzes der Regierung von Maurice Bishop durch das CIA und anderer Gangster, welche sich geschickt Bernard Coard und seiner Helfershelfer bedienten, sowie als langjähriger Kenner der karibischen Verhältnisse, möchte ich mich heute zu Wort melden.
Mitte November oder Anfang Dezember 1982 suchte mich der damalige deutsche Botschafter in Trinidad, Herr von Rouette in Union Island auf, und er sprach schon damals von amerikanischen Invasionsgelüsten. [...]
Als ich Herrn von Rouette von meinen regelmäßigen Besuchen auf Grenada berichtete und die Fortschritte der Regierung Bishop erwähnte, stimmte er mir zwar zu, erklärte aber, daß wenn dieses gute Beispiel auf den anderen karibischen Inseln Schule machen würde, sich bestimmte Wirtschaftinteressen das nicht gefallen lassen würden. Herr von Rouette gab unumwunden zu, wie sehr sich Grenada zum Positiven gewandelt hätte. Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und so weiter, wurden mit Hilfe der Kubaner errichtet. Grenada wurde unter Maurice Bishop zur saubersten und hygienischten Insel der gesammten Karibik. Viele Kleinprojekte auf dem Gebiet der Landwirtschaft wurden geplant und auch gegen den Widerstand bestimmter, kapitalistischer Kreise durchgezogen. Kurzum, Grenada blühte auf, die Bevölkerung faßte Mut und zog an einem Strang. Vor allem von dem Ausbau des Internationel Airport versprach sich die Bevölkerung viel.
Dieser Flughafen wurde auch mit EWG-Geldern finanziert, und nicht, wie es noch heute viele Menschen meinen, von den Russen oder den Kubanern. Mitte Oktober 1982 hatte ich das Vergnügen, mit Maurice Bishop zusammenzutreffen und mich mit ihm über eine Stunde zu unterhalten. Ausdrücklich erklärte er, daß er für sein Land jede Hilfe annehmen würde, wenn sie frei von Bedingungen bleiben würde. Er lobte die Zusammenarbeit mit den Kubanern und auch die mit den Regierungen verschiedener Ostblockländer. Über die angebotene Hilfe der westlichen Industrieländer konnte er nur klagen. Es fiel sogar das Wort von Erpressungsversuchen einiger westlicher Länder.
Maurice Bishop bot mir an, den noch im Bau befindlichen Flughafen zusammen mit einem gerade anwesenden deutschen Journalisten zu besichtigen. Wir konnten uns im gangen Bebauungsgebiet des Flughafens frei bewegen und dieser Journalist machte jede Menge Fotos, die ihm aber, wie er mir später telefonisch berichtete, auf wundersame Weise im Pearls Airport aus seinem Gepäck gestohlen wurden. Den Verlust bemerkte er erst, als er auf Barbados landete.
Wir sahen keinen Kubaner, der irgenwelche Waffen getragen hätte, oder in der Nähe des Flughafens gar Waffenarsenale. Wir konnten jedes nur gewünschte Gebäude betreten und so wären uns eventuelle Waffenlager ganz bestimmt aufgefallen. Diese Dinge wurden vom amerikanischen Fernsehen und Presse berichtet, die Waffenlager filmten, nachdem sie die Amis angelegt hatten. Die Berichte von bewaffneten Kubanern ist eine reine Erfindung der westlichen Medien, die mal wieder auf den alten Trick der amerikanischen Armee hereinfielen.
[...] Nach über 16 Jahren Karibikaufenthalt kenne und liebe ich die karibischen Menschen. An was es den Inseln und ihrer Bevölkerung am meisten fehlt, ist nicht so sehr Geld, als mehr Menschen, die sich aus idealistischen Motiven dort niederlassen. Weiße Blutsauger gibt es dort viel zu viele und von den korrupten Regierungen, die sich den Erpressungen beugen, ist auch keine Hilfe zu erwarten. [...] Mehr Idealisten und die Melancholie und der Stillstand kann leicht überwunden werden. Die Karibik braucht viele Kubas! Bernd Scheerer, Bruchsal
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