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Bündnis/Grüne wollen Fraktionsstatus

Ullmann spricht von „Suppenkasparpolitik“ der West-Grünen/ Alte Bundestagsfraktion diskutiert Niederlage: Nicht an ungenügenden Strukturen, sondern an der Unglaubwürdigkeit gescheitert  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die acht Bundestagsabgeordneten des Bündnis 90/Grüne erwarten, daß sie den Fraktionsstatus erhalten. Es sei der „Würde“ des gesamtdeutschen Parlaments angemessen, wenn eine „qualifizierte Minderheit nicht nur die Rolle von Statisten im Parlament zu spielen“ habe, sagte der ehemalige Volkskammervizepräsident Ullmann (Demokratie jetzt) in Bonn bei der Vorstellung der Gruppe. Für die Verhandlungen mit dem Ältestenrat des Parlaments sei man optimistisch. Zur Frage, ob gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht angerufen werde, mochte sich Ullmann deshalb nicht äußern. Das Angebot, sich als Gruppe der SPD- Fraktion anzuschließen und damit an den Arbeitsmöglichkeiten einer Fraktion teilzuhaben, lehnte Konrad Weiss (Demokratie jetzt) ab. Mit einem solchen Schritt würde die Gruppe ihre Eigenständigkeit aufgeben und langfristig in der SPD-Fraktion aufgehen.

Zu Spekulationen über die politische Distanz der Abgeordneten aus der ehemaligen DDR zu den West- Grünen erklärte Wolfgang Ullmann, man halte am Namen Bündnis 90/Grüne „als politisches Programm fest“. Dieses Programm müsse aber „präzisiert“ und zudem ein „ganz neues Verhältnis“ zu den West-Grünen hergestellt werden. Ullmann schloß nicht aus, daß es dabei „tiefgreifende Auseinandersetzungen“ geben werde.

Erste Akzente in der parlamentarischen Arbeit sollen bei der Steuerfrage und in der Verfassungsdiskussion gesetzt werden. „Wir sind der Meinung, daß der Lambsdorff-Vorschlag wirklich das erste Element ist, das Investoren eine begründete Aussicht gibt, in den neuen Ländern überhaupt handlungsfähig zu werden“, so Ullmann.

In teilweise erregter Atmosphäre, bei der schroffe Gegensätze sichtbar wurden, hat die ausscheidende grüne Bundestagsfraktion über die Niederlage diskutiert. Wolfgang Ullmann warf den West-Grünen eine „Suppenkasparpolitik“ vor, weil sie von einer generellen Verweigerungshaltung gekennzeichnet sei. Die daraus erwachsene „Introvertiertheit“ sei der wesentlichste Grund für die Niederlage, sagte Ullmann, der zugleich einen Trennungsstrich zu den Radikalökologen zog. Deren Stellungnahme, in der sie die Vorschläge zur Parteireform von Antje Vollmer und Joschka Fischer scharf verurteilten, führte wegen der Wortwahl, die teilweise als haßerfüllt bezeichnet wurde, zu Empörung.

Eine Strukturreform der Grünen wurde überwiegend als zweitrangige Aufgabe eingestuft. Die Partei sei „nicht strukturell, sondern menschlich gescheitert“, befand Petra Kelly, die die Niederlage „verdient“ nannte. Ohne eine „gewaltige Räumung von Menschen, die nicht mehr dazu gehören“, hätten die Grünen keine Existenzberechtigung mehr, sagte Kelly zur Parteilinken. Sie warf aber auch den Realos vor, mit ihrer Fixierung auf Rot-Grün die Inhalte der Partei verwässert zu haben. Die Grünen seien trotz vorhandener Konzepte und eines ausreichenden Pragmatismus daran gescheitert, aufzuzeigen, wohin sie wollten, sagte Christa Vennegerts.

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