piwik no script img

Das Gurgeln der Ozeanseele

■ Malerei eines japanischen Rostockers und bunte Drachen im Überseemuseum

Wie Paukenschläge rasen Pinselstriche von schwarzer Tusche über die letzten Erinnerungen an die verlassene Heimat: ein Fachwerkhaus. Der Maler Johann Heinrich Radeloff aus Rostock hat sein halbes Leben auf der anderen Seite der Erde verbracht. Als studierter Künstler lebt und lehrt er seit 30 Jahren an der Universität in Kyoto, Japan. Seine Bilder sind zusammen mit einer Ausstellung japanischer Drachen und Kreisel zur Zeit im Überseemuseum zu betrachten.

„Ich bin in der Welt abhanden gekommen“ nennt er ein Bild über sein Leben und Schaffen zwischen den Kulturen; es ist gleichzeitig eine Interpretation der Musik von Gustav Mahler: Filigrane Triangelklänge und kraftvolle Baßstreicher — der Wechsel zwischen Bodenständigkeit und Traum findet sich in fast allen seinen Bildern, in denen sich Spuren abendländischer Romantik mit der fernöstlichen Malerei vereinen und einander widerstreben.

Das urgewaltige Gurgeln einer Ozean-Seele vor blasser Sonne, ein Bilderzyklus mit Meereslandschaften, deren Streifenrhythmus die Betrachterin mit-und wegreißt - immer ist der stilistische Konflikt zugleich der persönliche des Malers.

Neben der schwarz-weiß-dominierten Malerei sind die grellbunten Drachen und Kreisel aus Japan, eine Leihgabe des Japanischen Kulturinstitutes in Köln, ein befreiendes Lachen. Die mit bunten Masken bemalten Himmelssegler sollten traditionell auch der Befreiung dienen: Weit aufgerissene Augen und herausgestreckte Zungen vertrieben gestern und heute böse Geister. Früher malten sich die Bediensteten selbst auf die Transparente, um sich symbolisch über ihre Herren zu erheben. Auch die grellen Farben, in der schwarzweißen Kunst Japans sonst nicht zu finden, waren eine bewußte Provokation. bear

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen