Bush, letzter Sonnenkönig

US-Präsident George Bush auf Südamerika-Tournee/ Freihandel für die „armen Vettern“ und Rauchverbot in Uruguays Präsidentenpalast  ■ Aus Montevideo Gaby Weber

Mit Tochter Dorothy im Schlepptau war US-Präsident George Bush zu einer jeweils eintägigen Stippvisite nach Brasilia, Montevideo, Buenos Aires, Santiago und Caracas gereist, um mit seinem neuen Projekt hausieren zu gehen: der „Initiative für die amerikanischen Staaten“ (Iniciativa para las Americas). Von Anchorage bis Montevideo soll ein gemeinsamer Wirtschaftsraum errichtet werden, ohne Zollschranken und Einfuhrbeschränkungen. Da die US-Industrie wegen ihrer veralteten Infrastruktur gegenüber Japanern und Europäern Konkurrenzfähigkeit verloren hat, muß sie dringend neue Absatzmärkte erschließen. Was liegt näher, als sich an die „armen Vettern im Süden“ — so hatte es einst Präsident Kennedy formuliert — zu erinnern?

Am Montag hatte Bush vor brasilianischen Parlamentariern vollmundig eine „neue Unabhängigkeitserklärung“ und eine „vertikale Hemisphäre“ beschworen. Das Wort „vertikal“ sei geographisch, nicht politisch gemeint, beugten US-Diplomaten falschen Interpretationen vor, statt atlantischer Allianzen gehe es um die kontinentale Wiedergeburt der freien Marktwirtschaft. Mit neoliberalen Rezepten wie Privatisierung und ungehindertem Freihandel soll ein Gegenstück zur EG entstehen — unter Führung Washingtons, versteht sich. Seit Jahren bedrängt die US-Regierung Brasilia, „geistiges Eigentum“, das heißt Patente und Copyright, zu respektieren. Und vor kurzem haben die Brasilianer nachgegeben und sich verpflichtet, künftig Abgaben für Software und Medikamente zu entrichten und ihre Grenzen für US-Computer zu öffnen.

Bushs „Initiative für Amerika“ ist aber im Amazonasstaat noch lange nicht ausgemachte Sache. Die brasilianischen Unternehmer fürchten, daß der Freihandel die eigenen Betriebe in den Ruin drängt und daß nur die US-Multis (Pharma- und Lebensmittelkonzerne) profitieren werden. Benedito Pires, Chef der Aussenhandelsabteilung des brasilianischen Industrieverbandes FIESP, hält das Projekt für eine „übereilte politische Entscheidung von oben nach unten“. Statt eines wildwüchsigen Neoliberalismus will er den Staat als Manager des Integrationsprozesses und „klare Regeln“. Das Land dürfe nicht mit ausländischen Waren überschwemmt, mindestens 70 Prozent eines importierten Produkts müßten im Land hergestellt werden.

Bush war mit leeren Händen und ohne Versprechungen gekommen. Anders als seine Vorgänger, die stets den Kampf gegen Hunger und Unterentwicklung im Munde führten, geht es ihm schlicht um Marktausweitung. Die hartnäckigen Journalistenfragen, womit die neuen lateinamerikanischen Partner künftig US-Produkte bezahlen sollen, wenn ihnen Washington nicht bei den Auslandsschulden entgegen komme, beantwortete Bush vage: Die ungehinderte freie Marktwirtschaft werde Wohlstand für alle bringen, und dann könnten auch die Schulden ohne Not beglichen werden. (Is ja toll — d.K.)

Trotz aller Lobeshymnen auf die neoliberale Politik der lateinamerikanischen Präsidenten zeigte sich Bush in diesem Punkt beinhart: Brasilia solle endlich die seit 18 Monaten unterbrochenen Zinszahlungen wieder aufnehmen und die ausstehenden acht Milliarden Dollar überweisen. Buenos Aires ist gerade die vierte Rate des bewilligten Standby-Kredites des IWF gestrichen worden. Begründung: Menem wandle zwar mit seinen Privatisierungen auf dem rechten Pfad, habe aber zuwenig Steuern eingenommen.

In den südamerikanischen Metropolen wurde der Bush-Besuch nur wenig zur Kenntnis genommen. Die Linke konnte sich auf keine gemeinsamen Proteste einigen. In Buenos Aires wurde die geplante Demonstration sogar abgesagt, um Präsident Menem gegen die rebellierenden Militärs den Rücken zu stärken. In Montevideo übergab der sozialistische Bürgermeister dem früheren CIA-Direktor mit eiserner Miene und streng nach Protokoll den Schlüssel der Stadt, freilich nicht ohne eine „gerechtere Weltwirtschaftsordnung“ und „soziale Gerechtigkeit“ einzuklagen. Aber dagegen hatte Bush nichts einzuwenden und klopfte Tabar Vazquez keck auf die Schulter. Die meisten linken Parlamentarier nahmen artig an der Zeremonie im Parlament teil.

Nur in Chile tanzte man aus der Reihe: ausgerechnet die ultrarechte UDI-Partei wollte Bush den Auftritt im Parlament verbieten. Er sei kein Freund des chilenischen Volkes, Santiago sei wegen angeblicher Verletzung der Menschenrechte immer wieder vom State Department auf internationalen Tribünen angegriffen und wirtschaftlich benachteiligt worden.

In den südamerikanischen Hauptstädten wurde Bush nicht als Verwalter eines Pleiteunternehmens, sondern immer noch als Sonnenkönig empfangen. Noch einmal durfte er den Glanz einer verflossenen Weltmacht genießen. Und entsprechend behandelten er und seine Sicherheitsleute ihren Hinterhof: US-Polizisten bestimmten, wer etwa das Parlament in Montevideo betreten durfte und wer nicht, und welche Abgeordneten an welcher Zeremonie teilnehmen konnten. Mit eigenem Wasserflugzeug und eingeflogenen Kellnern wurden die umworbenen künftigen Partner als Bananenrepubliken abgekanzelt. Während der Unterredung mit dem Präsidenten Uruguays räumte der mitgebrachte Secret Service kurzerhand den Präsidentenpalast und setzte sogar die Privatsekretärin vor die Tür. Den verbliebenen engsten Mitarbeitern Lacalles erteilte er Rauchverbot, und wer sich nicht daran hielt, dem wurde der Glimmstengel aus der Hand geschlagen.

Welche Wertschätzung er Uruguay entgegenbringt, demonstrierten Bushs anerkennende Worte auf der Pressekonferenz in Montevideo: „Die USA und Paraguay vertreten genau dieselbe Meinung.“