SPD-Streicheleinheiten für Walter

■ Auf dem Parteitag solidarisierten sich die GenossInnen mit dem geschlagenen Spitzenkandidaten

Berlin. Für den großen Wahlverlierer Walter Momper kam es auf dem Parteitag der Sozialdemokraten am Samstag doch nicht so schlimm: Durch eine geschickte Rede zu Beginn der Veranstaltung nahm Momper der Personaldebatte um seine Person die Schärfe. Ausdrücklich sprach er sich für eine Trennung der drei Spitzenämter der Partei (Fraktionschef, Bürgermeister und Landesvorsitzender) aus und deutete an, daß er mit dem Parteivorsitz zufrieden sein werde. In der Aussprache zu seiner Rede solidarisierten sich die Delegierten immer wieder mit dem Regierenden, und er erhielt soviel Beifall wie lange nicht mehr. Vor allem von östlicher Seite — von den 320 Delegierten des Parteitages kommen 64 aus dem Ostteil der Stadt — wurde Momper gehätschelt. Das vergleichsweise gute Abschneiden der SPD in Ost-Berlin sei zu einem großen Teil der Person Mompers und seinem hohen Ansehen geschuldet, so war es immer wieder zu hören.

Obwohl die Solidarität zwischen Ost und West beschworen wurde, liegt hier eines der größten Probleme der Partei. Die rot-grün angehauchten Forderungen, mit denen die SPD in die Koalitionsverhandlungen mit der CDU eintreten will, stoßen bei den Ost-GenossInnen zum Teil auf wenig Gegenliebe. Und in der neuen Fraktion sieht das Verhältnis aufgrund des Wahlergebnisses anders aus: Obwohl die SPD im Osten nur knapp 3.000 Mitglieder hat, kommen 36 der 76 Abgeordneten von dort. Ein Delegierter aus Treptow — dem Kreisverband, mit dessen Stimmen auf dem letzten Parteitag ein Beschluß der SPD, keine Autobahnen mehr zu bauen, zurückgenommen wurde — brachte es auf den Punkt: »Ökologischer Stadtumbau ist für uns ein Fremdwort, das könnt ihr im Westen machen. Wir brauchen erst einmal Straßen.« So sind die Bedenken gegen eine große Koalition von östlicher Seite gering; schließlich habe man in Ost-Berlin gemeinsam mit der CDU rot-grüne Politik vertreten, lautet eine weit verbreitete Legende. Scharfe Widerworte gegen das schwarz-rote Bündnis fanden nur Harry Ristock und der Volkswirtschaftler Hans-Peter Kisker. »Die politische Kultur der Stadt wird unter einer Schicht von Mehltau erstickt«, befürchtete Ristock, und die SPD werde vor allem unter den jungen Wählern wieder Stimmen verlieren. Auch andere Parteilinke trugen Bedenken gegen ein solches Bündnis vor, den Vorwurf, die Stadt unregierbar zu machen, fürchten jedoch fast alle. Mit großer Mehrheit wurde schließlich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschlossen. Auftrag für die Verhandler: »Die politische Identität der SPD darf nicht in Frage gestellt werden«. kd

Siehe auch Seiten 6, 10 und 21