: Die Angstwahl
Kaum ist die Mauer weg, haben sie Angst, die einst so tapferen Inselberliner. Angst vor den vielen Ex- Schwestern und Ex-Brüdern aus der Ex-DDR, die jetzt in die Stadt kommen und große Probleme machen. Die alles leerkaufen, die Straßen verstopfen und auf unsere Arbeitsplätze schielen. Die kriegen die westliche Freiheit und machen uns hier langsam aber sicher zu Ostlern.
Also schnell die Männer wählen, die so stark tun; die Aufschwung, Sicherheit und Geld versprechen. 49 Prozent für die Männer der CDU, das gab's noch nie, das ist die Angstwahl 1990. Und wie reagieren die Sieger? Sie freuen sich gar nicht, sie grinsen nur, Diepgen, Landowsky, Lummer. Sie haben freilich noch nie gelacht, immer nur gegrinst über ihre Streiche seit Fluchthelfertagen 1962. »Wer rechts ist, grinst« (Alfred Andersch). Nur Kohl hat gestrahlt, der Sieger über Rechte und Linke.
Und die vielen Linken, die offenbar nicht zur Wahl gegangen sind, müssen jetzt wieder APO machen, ohne Fraktion im Bundestag. Aber nicht wie früher gegen die Eltern und die alten Nazis, sondern gegen die tüchtigen jungen Leute aus Ost und West, die CDU gewählt haben und an ihre weißhäutige Monokultur höchstens Sonnenbräune ranlassen. Hermann Pfütze, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen