: Die ägyptische Wahlkomödie ist beendet
Auch nach dem zweiten Wahlgang bei den Parlamentswahlen überwältigende Mehrheit für die regierende NDP/ Teile der Opposition boykottierten die Wahl/ Wahlbeobachter oppositioneller Kandidaten behindert/ Vorwurf der Wahlfälschung ■ Aus Ägypten Leila Burhani
In der zweiten Runde der Parlamentswahlen in Ägypten am vergangenen Donnerstag kämpfte die regierende Nationaldemokratische Partei (NDP) vor allem mit sich selber: Ihren offiziellen Kandidaten standen „Unabhängige“ gegenüber, die auf eigene Kosten ins Rennen gegangen waren, nachdem die NDP ihnen die Unterstützung verweigert hatte. Da im ersten Wahlgang weniger als 200 Kandidaten die erforderliche Mehrheit erreicht hatten, wurde eine Stichwahl notwendig.
Die NDP erreichte satte 348 von 454 Sitzen, 6 Mandate gingen an die linkssozialistische Tagammu und 83 an unabhängige Kandidaten. Zehn Abgeordnete darf der Präsident noch persönlich ernennen: Es werden wohl ein paar Alibifrauen darunter sein und einige Vertreter der koptischen Minderheit.
Eine NDP-Mehrheit war ohnehin zu erwarten. Die wichtigsten Oppositionsgruppen — die neoliberale Wafd und das islamische Bündnis — waren der „Wahlkomödie“ wegen mangelnder Garantien für einen fairen Wahlablauf ferngeblieben. Tatsächlich gab es schon nach dem ersten Wahlgang 52 Eingaben wegen Wahlbetrugs oder Auszählungsfehlern.
Klagen wird auch der Nasserist Mahmud Bagdadi, der als Unabhängiger in Kairos Altstadtviertel Gamalliya kandidierte und sich als Fürsprecher der Armen versteht. Die nasseristische Partei ist verboten. Fast die Hälfte der Menschen seines Bezirks hat die Wohnungsnot in die Grabmausoleen auf dem Kairoer Nordfriedhof verschlagen. Er war sich seines Wahlsieges sicher, aber bei der Auszählung erzielte der NDP-Kandidat 300 Stimmen mehr.
Eigentlich hätte Bagdadi das Recht gehabt, eigene Beobachter in jedes der 260 Wahllokale seines Bezirks zu entsenden. Aber am Morgen des zweiten Wahlgangs wurde 250 seiner Helfer der Zugang zu den Wahllokalen verweigert. Plötzlich hieß es, die Beobachter müßten im jeweiligen Wahllokal auch stimmberechtigt sein. Einer der Wahlhelfer von Bagdadi wurde sogar mit dem Messer bedroht, bevor man ihn aus dem Wahllokal warf. Seltsamerweise lag die Wahlbeteiligung hier bei 40 Prozent, obwohl sie sonst überall bei 10 Prozent lag — fast alle Stimmen gingen an die NDP.
Die Regierung braucht für die anstehenden politischen Weichenstellungen dringend die Legitimation. Der Schuldenerlaß als Belohnung für die Entsendung ägyptischer Truppen an den Golf ist geringer ausgefallen als erhofft. Als Vorbedingung für Umschuldungen fordert der Internationale Währungsfonds außerdem drastische Wirtschaftsreformen: Privatisierung des staatlichen Sektors, Liberalisierung des Außenhandels und die Streichung der Lebensmittelsubventionen. Seit der IWF sich selbst zum Vorkämpfer für Demokratie in der Dritten Welt gekürt hat, will er das Reformpaket vom ägyptischen Parlament abgesegnet wissen, um nicht wie 1977 für künftige Brotunruhen verantwortlich gemacht zu werden. Nach anfänglicher Euphorie der Ägypter über das Golfengagement ihrer Regierung wächst nun die Skepsis: Immer häufiger wird gefragt, ob die ganze Krise nicht doch ein amerikanischer Schachzug zur Kontrolle der arabischen Ölressourcen war. Immer öfter ist in Gesprächen vom irakischen Brudervolk die Rede. Im Irak leben eine Million ägyptische Arbeitsemigranten. Im Falle eines Krieges am Golf könnten Ägypter die Opfer von Ägyptern werden.
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