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Präsident Walesa ist am Ziel

Mazowiecki-Anhänger stimmten praktisch geschlossen für den Solidarność-Vorsitzenden, der mit rund 75 Prozent der Stimmen gewinnt/ Unterlegener Gegenkandidat Tyminski beklagt sich über Terror  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Der neue Präsident Polens heißt Lech Walesa. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Solidarność erhielt nach Auszählung von 48 der 49 Bezirke 73,25 Prozent der Stimmen, sein Gegner Stanislaw Tyminski brachte es auf 26,75 Prozent und verbesserte sein Ergebnis aus der ersten Runde nur minimal. Aufgrund der geringeren Wahlbeteiligung von 53 Prozent erhielt Tyminski sogar weniger Stimmen als in der ersten Runde, während Walesa zu seinen Stammwählern noch von allen anderen bereits ausgeschiedenen Kandidaten Stimmen hinzugewann.

Auf einer ersten Pressekonferenz in Danzig wollte sich Walesa noch nicht dazu äußern, wen er mit der Regierungsbildung beauftragen wolle. Er hat bisher vier Namen ins Spiel gebracht: den Danziger Abgeordneten Jacek Merkel, den Warschauer Anwalt Jan Olszewski, den Chefredakteur des 'Tygodnik Solidarność‘, Jaroslaw Kaczynski und den Chef der polnischen Liberalen Krzysztof Bielecki. Als möglicher Kandidat gilt daneben auch noch der Vorsitzende des Bürgerkomitees, Zdzislaw Najder. Mit einer Entscheidung wird in den nächsten Tagen gerechnet.

Stanislaw Tyminski, der sich sichtlich schwertat, seine Niederlage zu verdauen und lange Zeit erst gar keine Stellungnahme abgeben wollte, erklärte schließlich, er werde wahrscheinlich eine Partei gründen, obwohl er Parteien nicht möge. Er sprach auch davon, im Land zu bleiben, um seine Wähler nicht zu enttäuschen. In einer Erklärung kündigte er an, er werde Einspruch gegen das Wahlergebnis bei der staatlichen Wahlkomission einlegen, „weil diese Wahlen nicht frei waren“. Man habe Mitglieder seines Wahlkampfstabes geschlagen und „sogar deren Hunde vergiftet“.

Adam Michnik, der zuvor Walesas heftig angegriffen hatte, versprach inzwischen in einem Leitartikel seiner Zeitung dem neuen Präsidenten kritische Loyalität. „Wir werden aber nicht verlangen, daß der Präsident auch jene Wahlversprechen erfüllt, die wir schon vorher für sinnlos gehalten haben“, schrieb Michnik. Walesa müßte nun versuchen, die aufgerissen Gräben wieder zuzuschütten, „er muß alle Polen vertreten, nicht nur seine Anhänger“, schrieb die Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘, die in der ersten Runde Mazowiecki unterstützt hatte. Die Ernennung einer neuen Regierung muß vom Parlament bestätigt werden. Sollte dies nicht der Fall sein, kann der Präsident das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben.

Wie aus ersten Wahlanalysen hervorgeht, sind die Wähler von Premier Mazowiecki offenbar dessen Aufrufen gefolgt und haben fast geschlossen für Walesa gestimmt. Auch die Mehrheit der Stimmenanteile der in der ersten Runde ausgeschiedenen Kandidaten entfiel auf den Danziger Arbeiterführer. Nur die 3,3 Prozent der Stimmen, die zuvor auf den Kandidaten der aus der PVAP hervorgegangenen Sozialdemokraten, Wlodzimierz Cimoszewicz, gefallen waren, schwenkten nun zu Tyminski über. Ansonsten wählte auch das linke Wählerreservoir mehrheitlich Walesa. Wider Erwarten stimmten auch die Anhänger der Bauernpartei zu zwei Dritteln für Walesa. Während von Walesas Stimmenpolster aus der ersten Runde nur 0,5 Prozent zu Tyminski kamen, gab der Kanadier 6 Prozent seiner Stimmen aus der ersten Tour nun an Walesa ab.

Trotzdem war sein Erfolg etwas höher als von Meinungsforschern vorausgesagt, was daran liegt, daß sich viele vorher nicht zur Stimmabgabe für Tyminski bekannten. Das westdeutsche Meinungsforschungsinstitut Infas, das die Wähler vor den Wahllokalen nach ihrer Stimmabgabe fragte, stellte erstaunt fest, daß am Sonntag 15 Prozent mehr Wähler angaben, in der ersten Runde für Walesa gestimmt zu haben, als dies tatsächlich der Fall war. Bereits zuvor hatten polnische Meinungsforscher festgestellt, daß sich ein relativ hoher Prozentsatz der Tyminskiwähler nur ungern zu seinen Präferenzen bekennt. Wie Analysen weiter ergaben, hatte Tyminski überproportional hohe Unterstützung bei jungen Wählern mit niedrigem Bildungsniveau in Kleinstädten und auf dem Land. Sehr geringe Stimmenanteile erzielte er dagegen bei der städtischen Intelligenz. Seinen hohen Anteil in der Kattowitzer Gegend, wo vor allem jüngere Arbeiter für ihn stimmten, konnte er halten. Die Analysen zeigen eindeutig, daß Tyminski auf ein Stammwählerpotential zurückgreifen konnte, das ungefähr bei 3,5 Millionen Wählern liegt. Daß er über dieses Potential nicht hinauskam, liegt auch an der klaren Aussage von Primas Glemp, der sich in einem Interview kurz vor der Wahl auf die Seite Walesas gestellt hatte. Erfahrungsgemäß hat das Wort der Kirche gerade in jenen Schichten besondere Authorität, aus denen sich Tyminskis Stammwähler rekrutieren.

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