Späte Sühne für zwei Tote in Güstrow

■ Wachleiter der ehemaligen Kreisdienststelle des MfS in Güstrow wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt

Berlin (taz) — Mit zehn Jahren Freiheitsstrafe ging gestern vor dem Berliner Landgericht der Prozeß gegen einen Wachleiter der ehemaligen Kreisdienststelle des MfS in Güstrow (Mecklenburg) zu Ende. Der 66jährige Angeklagte Werner F. wurde für schuldig befunden, im Dezember 1984 mit seiner Dienstwaffe zwei Männer erschossen und einen schwer verletzt zu haben. Die Familien der Getöteten hatte seinerzeit vergebens versucht, gegen Werner F. Einen Prozeß anzustrengen. Nachdem die Ermittlungen gegen den Mann wegen angeblicher Notwehr eingestellt und der Fall jahrelang totgeschwiegen worden war, wurde der Sachverhalt jetzt erneut aufgerollt. Für das Berliner Landgericht stand gestern zweifelsfrei fest, daß der Angeklagte nicht in Notwehr gehandelt hatte. Die Tat ereignete sich an einem späten Abend im Dezember. Der Angeklagte, der sich im Dienst mit seinem Vorgesetzten einen hinter die Binde gegossen hatte, begab sich nach draußen, als er einen Hund bellen hörte. Auf der Straße traf er auf drei angetrunkene Männer. Seine Forderung, den Ausweis zu zeigen, wurde von diesen nicht befolgt. Werner F. berief sich vor Gericht darauf, geschossen zu haben, weil ihm die drei Männer „an die Wäsche“ gewollt hätten.

Für das Gericht stand jedoch fest, daß der Wachleiter von den drei Männern nicht angegriffen, sondern allenfalls einmal kurz angefaßt oder herumgeschoben wurde. Der stark alkoholisierte Mann habe vielmehr aus einer Mischung von Wut und Angst geschossen, weil er sich von den drei Männern „nicht ernst genommen fühlte“. Das Strafmaß von zehn Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags in zwei Fällen und versuchten Totschlags kamen auf Grundlage des Strafgesetzbuch der ehemaligen DDR zustande. Nach Angaben des Vorsitzenden Richters mußte es laut Einigungsvertrag angewendet werden, weil die entsprechende Vorschrift milder als im Bundesrecht ist. Plutonia Plarre