piwik no script img

STANDBILDEine wunderbare Ökomödie

■ "Alles im Griff", Montag um 19.30 Uhr, ZDF

Er heißt Bolle und ist Werksfahrer bei einem großen Chemiekonzern. Ein zuverlässiger Mann — bis „seine Alte“ mit ihrem Lover durchbrennt. Und das ausgerechnet einen Tag, nachdem Bolle die gemeinsame Wohnung vollständig mit neuem Velours (23 DM je Quadratmeter) ausgelegt hat. Als sie ihm am Telefon ihre Treulosigkeit mitteilt, dreht Bolle durch und fährt ihr rasend hinterher. Allerdings nicht mit einem Golf GTI, sondern mit 25.000 Kilo P3D im Genick, am Steuer eines Tanklastzugs. P3D ist ein massenmordendes Ultragift, das nur die 450 Meter bis zum werkseigenen Zwischenlager befördert werden darf.

„Na Mahlzeit“, brüllt der Firmenmanager, während sich der Sicherheitsingenieur schon mal mit einer Herzattacke auf die Intensivstation verabschiedet. Die Polizei bleibt außen vor, der Konzern hat Angst ums Image, zumal er mit seinen Altlasten und einer Müllverbrennungsanlage ohnehin genug Leichen im Keller hat. Bolle soll möglichst unauffällig wieder eingefangen werden. Doch der brettert kreuz und quer durch die Lande, seiner durchgebrannten Frau hinterher. Auf der Autobahn ereilt ihn ein Weinkrampf, in Schlangenlinien geht es zum nächsten Rastplatz, wo er seinen Kummer in Magenbitter (derer sieben) ertränkt. Dann kommt er auf die glänzende Idee, seinen Chemietanker mitten im Hamburger Elbtunnel hochgehen zu lassen, um so an dieser häßlichen Welt Rache zu nehmen. Doch wie das Leben so spielt, bleibt er kurz vor Hamburg im Stau stecken und wird von der zuletzt doch noch alarmierten Polizei gerettet, gerade noch rechtzeitig bevor randalierende Hooligans seinen als Milchfahrzeug getarnten Tanklastzug „öffnen“ können. Nur der Stau kann uns noch retten — wie wahr!

Eine Geschichte, die das Leben schrieb, und ein sehr genau beobachtender Autor. Joachim Roering hat wunderbare Dialoge geschaffen und stimmige Figuren vom Pförtner bis zum Direktor. Die beste ist der Chef einer privaten Eingreiftruppe Umwelt, Alberti, der vom Chemiekonzern alarmiert worden ist. Alberti ist so etwas wie das ideelle Ökogesamtschwein: intelligent, zynisch, heiter. Seine Firma versteht er als Bundeszentrale für ökologische Beruhigung. Seine Devise: „Unser täglich GAU gib uns heute.“ Er ficht für eine „Güter und Werte abwägende ökologische Bedarfsbagatellisierung“. Er hält die Augen zu und das Chaos fest im Griff.

Alberti muß nicht nur Bolle einfangen, sondern auch eine kollabierende Talsperre retten, deren „Drosselklappen“ nicht mehr ansprechen. Der einzige Mensch, der hier noch helfen kann, sitzt im Irrenhaus und inszeniert den „schwimmenden Holländer“ allerdings ohne Musik. Nur die Verrückten können uns noch retten — schon wieder wahr!

Roering hat eine witzige und spannende „Ökomödie“ geschrieben. Beste Agitation auf die humorige Art und: Realität pur. Vor allem im Shwowdown brennt er ein furioses Feuerwerk ab. Zuletzt fällt Bolle seine durchgebrannte Frau um den Hals, ergriffen von dem großen Remmidemmi („...und alles meinetwegen?“). Und zuallerletzt spielt wieder die Technik verrückt: Der auf der Intensivstation verstorbene Sicherheitsingenieur des Chemiekonzerns wird bei der Beerdigung von der Friedhofshydraulik aus der Gruft hinausgehoben. Doch schließlich kommt auch der Sarg ans Ziel, der Sicherheitsingenieur ruht sanft, und alles ist gut. Ein wunderbarer Fernsehfilm! Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen