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Mit Gott fürs deutsche Vaterland!

■ Nationalistische „Seelsorge“ im Bochumer Knast

Vor zirka vier Wochen hatte ich mal den Wunsch, mir eine ruhige Stunde am Sonntag vormittag zu gönnen, und so ging ich, nach langer Zeit zum ersten Mal, in den katholischen Gottesdienst. Warum katholisch? Ganz einfach, weil ich als Säugling mal katholisch getauft wurde. Nun also sitze ich ehrfürchtig in der Kirche und lausche aufmerksam der Sülze des Pfarrers, Pater Kasenbrink. Dann, plötzlich, wird er lauter. Ja, er fängt an Politik zu machen. „Zahlt dem Kaiser seinen Zins“, so hieß das Thema seiner Predigt. Er legt das auf die heutige Zeit um und steigert sich richtig rein. Weiterhin zieht er namentlich über ein früheres SED-Mitglied, die Eisprinzessin Kati Witt, her und meint, diese Dame wäre eine irregeleitete Person. Warum meint er das, frage ich mich? Da kommt schon die Antwort. Diese Witt erdreistet sich tatsächlich zu sagen, daß es ihr in der Ex-DDR gut ginge. Ja hallo, das darf man doch nicht sagen.

Nach einer knappen Stunde ist dieser kostenlose Politikunterricht zu Ende und alles geht Richtung Ausgang. Dort gibt es noch ein „Schmankerl“ zum Abschied. Eine noch druckfrische Ausgabe der in Augsburg verlegten Zeitschrift 'Weltbild‘. Eigentlich für einen kritischen Menschen keine Lektüre, aber ich werde schwach, weil sie zwei große Kreuzworträtsel sowie für 14 Tage das Fernsehprogramm beinhaltet. Außerdem sollte man auch mal von der anderen Seite Informationen aufnehmen. Ich habe also nun diese Zeitung mit aufs stille Örtchen genommen, da zerreißt es mich. Plötzlich bekomme ich Magenkrämpfe. Der Grund liegt auf der Hand. In dieser Zeitung, es muß die Ausgabe 22 vom 19.10.90 sein, befindet sich eingerahmt von Annoncen, ein frommer Bruder zu werden, ein Artikel über den Alltag eines deutschen Polizisten in Augsburg. Dieser Artikel ist eine großangelegte Hetze gegen Ausländer, denn der gute deutsche Polizist hätte es gerne, wenn in diesem unserem Lande nur Deutsche wären. Ich zitiere wörtlich, was in diesem Absatz steht: „Rudolf Rekle möchte lieber Freund und Helfer sein, vor allem der Deutschen, denn am liebsten wäre ihm schon, hier in unserem Land wären nur Deutsche. Viel Ärger würde ihm dann erspart, meint er. Denn die meisten seiner Einsätze hängen mit Ausländern zusammen, sagt er.“

Soweit der Augsburger Polizist Rudolf Rekle. In diesem Artikel stehen noch mehrere anzügliche und eindeutige Passagen. Es fehlt auch kein Bild von ihm, blond und arisch, samt Frau Elisabeth.

Was mich betroffen und wütend macht, ist die Tatsache, daß solche faschistischen Parolen in einer solchen Art und Weise verbreitet werden. Es ist eine Frechheit, daß ein solcher Artikel in einer religiösen Zeitschrift gedruckt wird. So wird im Namen Gottes Ausländerhetze betrieben. Wird es wieder so wie 1933? Wird das deutsche Volk nach der Wiedereinverleibung wieder größenwahnsinnig? Welche Rolle spielt die Kirche?

Das Resümee dieses Sonntags lautet für mich: Zum letzten Mal war ich in einem katholischen Gottesdienst, und unverzüglich wird mein Austritt aus dieser Glaubengemeinschaft erfolgen. Das ist doch wohl amtlich.

Ich will noch mal auf den anfangs erwähnten Mann, Pater Kasenbrink, zurückkommen. Dieser Diener Gottes ist in meinen Augen ein schlimmer Heuchler und versucht, Gefangene, also bedürftige Menschen, zu beeinflussen. Ich habe in der Zeit meines bisherigen Aufenthaltes in diesem Haus einen arroganteren Menschen nicht kennengelernt. Dies ist ganz allein meine Meinung, und die muß nicht richtig sein. Ich will das deshalb Ihnen mitteilen, weil ich es nicht akzeptieren will, daß im Namen Gottes solch Schindluder getrieben wird. Leider bin ich juristisch nicht im Bilde, sondern ahnungslos. Ich würde gerne wissen, ob man nicht gegen die Zeitschrift 'Weltbild‘ klagen kann? Vielleicht könnt Ihr tazler das oder irgendein Leser. Wir müssen solchen Leuten das Handwerk legen. Für jeden Ratschlag bin ich dankbar.

Ich möchte mich auf diesem Wege auch bei allen bedanken, die Geschenkabos möglich machen. T.P., JVA Bochum

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