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Kommerzielle Geheimnisbeschaffung

KGB-Agenten erschließen sich marktgerechte Arbeitsfelder gemäß der Qualifikation als Spion  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Auch im allgemeinen Chaos des sowjetischen Alltagslebens setzt sich zunehmend eine Erkenntnis durch: Mit Informationen läßt sich Geld machen. Noch hat sie sich nicht zu gesamtgesellschaftlichem Allgemeingut entwickelt, aber die Avantgarde hat es begriffen — das staatliche Komitee für Sicherheit KGB. Schon immer mit der Aufgabe betraut, Informationen ranzuschaffen, sieht der sowjetische Geheimdienst im nächsten Jahr harten Zeiten entgegen. Nach dem Entwurf des Haushaltsplanes soll er 1991 um 20 Prozent abspecken. Schuld daran ist die schwindende Ost-West-Konfrontation.

Da heißt es umdenken. Und die Führung unter Wladimir Krjutschkow hat genau das getan. Obwohl man diesem Herrn bisher keine übermäßigen Sympathien für marktwirtschaftliche Prinzipien nachsagen konnte, bewies er überdurchschnittliche Lern- und Anpassungsfähigkeit. In Einklang mit den Vorgaben, die den „Übergang zur Marktwirtschaft“ innerhalb von 500 Tagen garantieren sollen, verordnete er seiner „Behörde“ eine Metamorphose vom Kostgänger des Staates zum Selbstversorger: „Künftiges Arbeitsfeld — industrielle Informationsbeschaffung.“ Mit diesem Euphemismus umschrieb Major Andrej Oligow, stellvertretender KGB-Pressechef, im sowjetischen Fernsehen den neuen Arbeitsauftrag „Industriespionage“. Oligow ging noch weiter. Schon seit Frühling dieses Jahres arbeite seine Gruselbehörde in diesem Metier. Als eine Art private Detektei nähmen vor allem Kooperativen, große Staatsfirmen und sowjetisch- westliche Gemeinschaftsunternehmen deren Dienste in Anspruch. Sowjetische Unternehmen erkundigen sich vornehmlich nach Liquidität, Marktstellung und Geschäftsgebaren ihrer westlichen Partner. Man gibt sich grundsätzlich offen. Eine private Schnüffelagentur beliefert schließlich jeden, wenn er denn über die finanziellen Voraussetzungen verfügt.

Doch ausgerechnet zu den pekuniären Aspekten wollte der Major nichts rausrücken, und auch die Kundennamen behielt er für sich. Vertraulichkeit sei schließlich ein wesentliches Element in diesem Busineß. Wem, so räumte er verteidigend jegliche Bedenken beiseite, könne man denn in Sachen Vertraulichkeit überhaupt mehr Glaubwürdigkeit entgegenbringen als dem KGB, dem Hüter der Staatsgeheimnisse?

Man sei zu diesem Schritt mehr oder weniger gezwungen gewesen. Staatsaufträge seien ausgeblieben, trotzdem gelte es, die „Arbeitsfähigkeit“ des KGB sicherzustellen. So hat man, in Anlehnung an westliches Management, stehenden Fußes auf die veränderten Marktbedingungen reagiert. Denn auch in der Sowjetunion ist Schnelligkeit zu einem Wert an sich geworden. Und der KGB will schneller sein als die Konkurrenz. Für die allernächste Zukunft, befürchtet nämlich der Major, könnten auch andere große Firmen dazu übergehen, eigene Spionageabteilungen zu gründen. Warum da nicht lieber auf Erfahrungen und Infrastruktur einer alteingesessenen Institution zurückgreifen? Um den Bekanntheitsgrad braucht man sich keine Sorgen zu machen. Werbekosten entfallen. Künftig werden wohl die eingeführten Initialen KGB einfach für kommerzielle Geheimnisbeschaffung stehen. Major Oligow. Anfragen bat Major Oligow direkt an den KGB zu richten: Dscherschinskij Uliza 2, Telefon: 9210762.

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