Tambo kehrt nach Südafrika zurück

Der nach 30 Exiljahren heimgekehrte Präsident des ANC wird heute einen Strategiekongreß eröffnen/ Diskutiert werden die Verhandlungen mit der Regierung und die Gewaltwelle  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Als Oliver Tambo auf einem Balkon des Flughafengebäudes erschien, sprangen die auf dem Parkplatzgelände versammelten Menschen mit Freudenrufen in die Luft, stießen einander an, zeigten auf den ANC- Führer und riefen „Viva Tambo!“ 5.000 Menschen waren zum Johannesburger Flughafen gekommen, um den Präsidenten des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) zu begrüßen. Nach 30 Jahren im Exil kehrte der 73jährige Tambo in seine Heimat zurück. ANC-Vizepräsident Nelson Mandela lobte seinen engen Freund als „einen der größten Helden Afrikas“. Der durch einen Schlaganfall gezeichnete Tambo stützte sich auf Mandelas Arm, als er vor die Menge trat.

Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob Tambos Heimkehr ohne die Öffentlichkeit stattfinden müßte: Die Polizei wollte weder einen öffentlichen Auftritt Tambos noch eine Pressekonferenz zulassen, sagte ANC- Sprecher Gill Marcus. So wurde sein Flug aus Lusaka um zwei Stunden verzögert, während ANC-Vertreter in Johannesburg mit der Polizei über die Modalitäten des Empfangs am Flughafen verhandelten. Aus Sorge die versammelte Menge könnte außer Kontrolle geraten, wurde dann eine kurze Begrüßung zugelassen.

Der 1917 geborene Tambo gilt als der Mann, der den ANC seit dem Verbot der Organisation 1960 im Exil zusammengehalten hat. Spannungen und Krisen innerhalb des ANC wurden wiederholt durch seine Intervention überwunden. Auch innerhalb Südafrikas wurde er von Schwarzen als Held geehrt, obwohl er bis Anfang dieses Jahres dort nicht zitiert werden durfte.

Tambo wird heute in Johannesburg die dreitägige Strategiekonferenz des ANC eröffnen. Die 1.600 Delegierten werden allerdings noch keinen Nachfolger für den schwerkranken Tambo wählen, weil ein vollwertiger Kongreß erst im Juni 1991 stattfinden soll. Der ANC war gezwungen worden, die Bedeutung der heutigen Konferenz herabzustufen, weil bisher nur ein Bruchteil der etwa 20.000 ANC-Mitglieder aus dem Exil nach Südafrika zurückgekehrt ist. Probleme im Verhandlungsprozeß mit der südafrikanischen Regierung haben zu monatelangen Verzögerungen geführt. So wird Tambo wohl erst im nächsten Sommer sein Amt niederlegen.

Zentrales Thema des Kongresses wird die ANC-Strategie für weitere Verhandlungen mit der Regierung sein. Dabei wird eine kontroverse Debatte über die Suspendierung des bewaffneten Kampfes erwartet, die der ANC Anfang August angekündigt hatte. Als Konsequenz der schweren Kämpfen zwischen ANC- Anhängern und Unterstützern der konservativen Zulu-Partei Inkatha in den letzten Monaten, bei denen fast 2.000 Menschen getötet wurden, haben zahlreiche ANC-Mitglieder Waffen zur Selbstverteidigung gefordert. Bei den Diskussionen über einen Ausweg aus der Gewalteskalation werden die Frage von Verhandlungen mit Inkatha und ein mögliches Treffen zwischen Mandela und Zulu-Führer Buthelezi eine zentrale Rolle spielen. Außerdem steht die Notwendigkeit, die Organisationsstrukturen des ANC zu stärken, auf der Tagesordnung; vor allem zwischen Exekutive und der Basis gibt es Kommunikationsprobleme. Und schließlich stehen auch die internationalen Sanktionen gegen Südfrika zur Debatte. Der ANC hat vor kurzem erstmals die Möglichkeit der Lockerung von Sanktionen ins Auge gefaßt.