Mordprozeß im brasilianischen Urwald

■ Vor zwei Jahren wurde Chico Mendes, international bekannter Gummizapfer und Umweltschützer, ermordet/ Vorgestern begann der Prozeß gegen die mutmaßlichen Mörder — mit einem Geständnis

Rio de Janeiro/Berlin (ips/taz) — Mit einem Eklat begann am Mittwoch in der brasilianischen Urwaldstadt Xapuri der Prozeß gegen die mutmaßlichen Mörder von Chico Mendes. Der international bekannte Gummizapfer und Umweltschützer war vor zwei Jahren, zwei Tage vor Heiligabend, vor seinem Haus erschossen worden. „Chico Mendes ist ein Schurke und Streithahn, den die Europäer zu einem Helden und Märtyrer machen wollen“, legte die Verteidigung los, „Chico wurde von seiner eigenen Bande erschossen, von einem Verbrecher, wie er selber einer war, gewiß nicht von Darcy Alves.“ Doch dieser selbst desavouierte seinen Verteidiger gleich danach mit einem Geständnis: „Ich habe Chico Mendes erschossen.“ Das hatte er zwar schon vor zwei Jahren nach seiner Verhaftung zugegeben, doch danach bis zum Prozeßbeginn jegliche Schuld geleugnet. Der Staatsanwalt geht davon aus, daß der 56jährige Großgrundbesitzer Darli Alves da Silva, der Vater des 23jährigen Darcy, den Mord an Chico Mendes in Auftrag gegeben hat und daß der Sohn mit seinem Geständnis, das ihm eine Strafmilderung in Aussicht stellt, alle Schuld auf sich nehmen will. Ein mutmaßlicher Mittäter, der Tagelöhner Jardeir Pereira, der auf der Fazenda von Darli Alves beschäftigt ist, ist rechtzeitig abgetaucht. Darli Alves selbst will vom Mord erst aus der Zeitung erfahren haben. Fünf der offenbar massiv bedrohten Geschworenen rückten zum Prozeßbeginn mit ärztlichen Attesten an.

Der Prozeß in Xapuri, der von 120 Journalisten verfolgt wird und möglicherweise schon heute zu Ende geht, hat eine lange Vorgeschichte. Fast ein Jahr lang hatte die zuständige Staatsanwältin gezögert, bis sie schließlich die Mordklage zuließ. Sieben verschiedene Kommissare der Bundespolizei mußten einschreiten, bis die beiden Hauptangeklagten, Vater und Sohn, in Untersuchungshaft genommen wurden.

Die Mord am 22. Dezember 1988 hatte weltweites Aufsehen erregt. Der 44jährige Gummizapfer, Präsident der regionalen Landarbeitergewerkschaft, war international bekannt geworden, als ihn die UNO mit einem Umweltpreis auszeichnete. Chico Mendes hatte vor allem die Waldläufer, Kautschuksammler, Fischer und Flußhändler des Bundesstaates Acre im Westen Brasiliens gegen die Abholzung des Regenwaldes mobilisiert. Zwei Wochen vor seinem Tod hatte er in einer Pressekonferenz die Namen zweier örtlicher Großgrundbesitzer bekanntgegeben, die ihm nach dem Leben trachteten: die Brüder Darli und Alvarinho Alves da Silva, die der „Demokratischen Landunion“, dem rechtsradikalen Verband der Fazendeiros, angehören. Gegen die beiden bestand schon damals seit zwölf Jahren ein Haftbefehl wegen eines Doppelmordes, ohne daß sich die Behörden je ernsthaft bemüht hätten, der beiden habhaft zu werden.

Mit den Gebrüdern Alves war Chico Mendes in Konflikt geraten, nachdem er vor Gericht die Enteignung eines Stücks Urwalds durchsetzte, das die beiden erworben hatten, und dieses zu einem Sammelreservat erklärt worden war. In Sammelreservaten sind Abholzung, Viehzucht und das Schürfen von Erzen verboten. Erlaubt ist nur Sammelwirtschaft — das Ernten von Paranüssen oder Kautschuk etwa. Ein kleines Stück Lebensgrundlage hatte Chico Mendes damit für seine Gummizapfer gerettet. Hunderte von ihnen sind mit ihren Booten zum Prozeß im Urwaldstädtchen Xapuri angereist. thos