: Studenten werden „abgewickelt“
Dresden (taz) — Über die geplante Schließung der Landwirtschaftshochschule in Meißen erfuhren die Betroffenen aus dem Radio. Für diese gelungene Weihnachtsüberraschung bedankte sich eine Abordnung der Hochschule gestern vor dem sächsischen Landtag mit einer Protestkundgebung. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Biedenkopf hatten Leitung, Dozenten und Studenten die Aussetzung der Kabinettsentscheidung verlangt. Gegenüber Landwirtschaftsminister Jähnigen und Wissenschaftsminister Meyer forderte die Delegation, daß die Hochschule an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligt wird. Jähnigens lapidare Antwort: „Die Abgeordneten machen die Politik. Nicht Sie. Ich muß zur Debatte.“ Meyer konnte sich da noch die Zusage abringen, daß zwischen der TU Dresden und der LPG-Hochschule Meißen „über eine neue Struktureinheit“ beraten werde, mit Personal- und Studentenrat, wie die Versammlung präzisierte.
An der Meißener LPG-Hochschule sind 300 Direktstudenten immatrikuliert. Mehr als 3.000 Landwirte nutzten in diesem Jahr neue Studienangebote, besonders zu Ökologie und Landschaftspflege, um sich weiterzubilden oder umschulen zu lassern. „Was wir in diesem Jahr gehört haben“, erklärte ein Abgeordneter von Linke Liste/PDS, „das ist für uns LPG-Vorsitzende eine Grundlage für eine weitere Existenz.“ Das neue Konzept der Hochschule habe weder in Sachsen noch in Ost-Berlin nennenswertes Interesse gefunden, teilte Rektor Prof. Helmich mit. Dagegen fand es Zustimmung bei westlichen Bildungseinrichtungen und Institutionen. Der Beschluß der sächsischen Regierung ignoriere schließlich die gesamte Entwicklung der Hochschule seit einem Jahr. Nach Minister Meyer soll aus der Hochschule ein Umschulungszentrum entstehen. „Wir sind dabei, das zu prüfen“, rief er aus und bekam von den Studenten Feuer. „Wer ist das, der hier prüft?“ wollten sie wissen, doch der Minister schwieg. „Sie reden von prüfen und meinen abwickeln“, kommentierte ein Student das Verfahren.
In Mecklenburg-Vorpommern protestierten ebenfalls Tausende Studenten aus Hoch- und Fachschulen gegen die Hochschul- und Bildungspolitik von Kultusminister Oswald Wutzke (CDU). Die Studenten kritisierten das dem Landtag vorgelegte Hochschulerneuerungsgesetz als „völlig übereilt“ und verlangten Mitsprache. Zu ihren Forderungen gehört auch eine schriftliche Zusage, daß alle Studenten ihr Studium dort beenden können, wo sie es begonnen haben. In Rostock hat sich der Senat der Uni gegen die vorgesehene Abwicklung ausgesprochen. Eine grundlegende Erneuerung sei zwar geboten, solle aber eine „Überführung aller Einrichtungen der Universität“ beinhalten. Detlev Krell
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