: Leipzig bekommt sein »L« aus dem Westen
■ Ab dem 1. Januar gibt es im Osten neue Autokennzeichen/ »Reservierungslisten« gab es nicht nur beim Verkehrsministerium, sondern auch bei der Post/ Auch an Kaliningrad wurde gedacht
Berlin. Die Straßenverkehrszulassungsverordnung ist geändert, Verkehrsminister Zimmermann hat die künftigen Kfz-Kennzeichen für die ostdeutschen Städte und Kreise festgelegt. Sie werden ab 1. Januar 1991 zugeteilt. Die Umstellung soll am 31.12.1993 beendet sein. Durch die neuen Kennzeichen ändert sich mit einer Ausnahme im Altbundesgebiet nichts. Nur der Lahn-Dill-Kreis (künftig: »LDK«) mußte sein »L« an Leipzig abtreten. Halle (»HAL«) bekommt nicht, wie es für größere Städte üblich ist, zwei Buchstaben, da viele Kombinationen bereits vergeben waren und keiner der Betroffenen zum Verzicht bereit war.
Gegenüber den im Sommer bekanntgegebenen Kennzeichen bekommt unter anderem Chemnitz nun nicht »CH«, sondern das renommierträchtigere »C«, und Zwickau sein »Z« anstelle von »ZU«. Davon, daß jetzt doch der Buchstabe »Q« vergeben wurde, profitiert nicht nur Quedlinburg (»QLB« anstelle des unsinnigen »EGL«), sondern auch Querfurt (»QFT«). Die Kreise um die Ostsee- Hansestädte erhalten ein schlichtes »ROS« für Rostock-Land, »WIS« für Wismar-Land und GW für Greifswald-Land. Dafür bekam die Stadt Greifswald ihr »H« vor das »GW«.
196 neue Kennzeichen gibt es nun; die Veränderungen sind auch gegenüber den rund 180 Positionen einer Liste evident, die 1956, mitten im Kalten Krieg, verfaßt worden war: die sogenannte »Reservierungsliste« mit vollständigem Namen »Erwägungen für die Kraftfahrzeugkennzeichen der Gebiete östlich der Bundesrepublik Deutschland«. Hier hatten noch die dreibuchstabigen Kürzel dominiert, die von den Verkehrsbeamten nun nach Kräften auf zwei zusammengestrichen wurden.
Dem Bundesverkehrsministerium ist die Liste heute hochpeinlich. Denn die Vergabe der Kennzeichen endete nicht etwa an der vormaligen Oder-Neiße-Linie, sie umfaßte auch die Gebiete, die in der BRD bis zu den Ostverträgen unangefochten als »zur Zeit unter polnischer« bzw. »sowjetischer Verwaltung« stehend bezeichnet wurden. Das jetzige Kaliningrad etwa hatte sein »KP« für Königsberg/ Preußen, Tilsit ein »TI« oder Insterburg ein »IB«. Danzig, bis 1939 unter der Aufsicht des Völkerbunds stehend und von den Nazis als Vorwand für den Überfall auf Polen genutzt, hat gleich auch noch ein »DZ« reserviert bekommen — wenigstens diese Kombination ist nun anderweitig, nämlich an Delitzsch, vergeben.
Auch die Bundespost hatte ihre »Reservierungsliste« — wenn auch wesentlich einfacher. Im System der Postleitzahlen, das zu Beginn der 60er Jahre entwickelt wurde, blieb die Leitzone 9.000 frei. Mit ihr und den »freigebliebenen« Leitzahlen von 1.001 bis 1.999 hoffte man, das Gebiet der DDR vollständig abdecken zu können. An die »Ostgebiete« wurde dabei allerdings nicht mehr gedacht. Ab 1992 wird allerdings ein ganz neues System eingeführt, das auf jeden Fall mehr als vier Stellen erhält, eventuell aber auch aus Zahlen und Buchstaben zusammengesetzt sein wird. Im Telefonbereich werden alle Orte in den neuen Ländern ab dem letzten Quartal 1992 mit 03 angewählt werden können.
Wo nun die Grenzen mit Polen anerkannt sind, könnten bei Städtenamen auch eine Reihe von geographischen Unterscheidungsmerkmalen entfallen — Landsberg am Lech ist sicherlich nicht mehr mit Gorzow, einst Landsberg an der Warthe, zu verwechseln, ebensowenig Osterode am Harz mit Ostroda in Polen. Doch hier sorgt nicht die Technik für den Wegfall, sondern der Fremdenverkehr für den Beibehalt, denn so können Fremde die Städte einfacher orten. Allererste Kontakte nach Polen hat Osterode seit einigen Tagen vorzuweisen — soeben hat eine Delegation aus Ostroda die Stadt besucht. Das »andere« Osterode ist im Harz allerdings sehr viel bekannter. Seit 1952 unterhält die Gemeinde eine Patenschaft mit der Vertriebenen- »Kreisgemeinschaft Osterode/OPr«. Dietmar Bartz
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel und die Tabelle wurden in unserer Ost-Auflage bereits am Donnerstag im überregionalen Teil veröffentlicht. Wir wollen die Beiträge unserem Westberliner Publikum aber nicht vorenthalten. Unsere Ostberliner LeserInnen bitten wir wegen der Wiederholung um Nachsicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen