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Zeiss Jena: Zwei Drittel der Mitarbeiter müssen gehen

■ In nur zwei Jahren soll der Hersteller optischer Geräte saniert werden

Jena (dpa/taz) — Die Jenoptik Carl Zeiss in Jena wird im kommenden Jahr die Zahl der Beschäftigten um mehr als 60 Prozent verringern. Bei einem erwarteten Umsatz von 850 Millionen D-Mark könnten nur 10.000 der gegenwärtig 27.500 Arbeitsplätze erhalten werden. Das sagte Geschäftsführer Klaus-Dieter Gattnar gestern morgen, als er die Belegschaft über das Sanierungskonzept für den angeschlagenen Hersteller optischer Geräte auf einer Versammlung in Jena informierte. Der bestehende Kündigungsschutz bis Mitte 1991 werde eingehalten. Für den stufenweisen Personalabbau, der wegen fehlender Aufträge notwendig geworden sei, werde ein Sozialplan erarbeitet. Neue Arbeitsplätze sollen, so der Geschäftsführer, „langfristig“ durch Entwicklung der Optoelektronik und Ansiedlung mittelständischer Firmen in der Region um Jena geschaffen werden.

Die Situation von Jenoptik bezeichnete Gattnar als „kritisch, aber nicht hoffnungslos“. Bisher lägen für 1991 nur Aufträge für 100 Millionen D-Mark vor. „Das ist weniger als früher in einem Monat“, sagte er. Für den Handel mit der Sowjetunion gebe es gegenwärtig nur Protokolle, aber keinen einzigen Vertrag. Ohne auf staatliche Regelungen zu warten, will Zeiss durch Bartergeschäfte, bei denen die Produkte mit Waren statt Geld bezahlt werden, die Lieferungen ermöglichen.

Verstärkt suche Zeiss in Deutschland und Westeuropa nach Absatzmärkten, sagte Gattnar. Dabei hoffe er, daß das Unternehmen in europäische Programme einbezogen wird. Er nannte das Weltraumprogramm sowie Entwicklungen für Umweltforschung und Verkehrsleittechnik. Für den Erhalt von 1.000 der verbleibenden 10.000 Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung seien Fördermittel erforderlich.

Gemeinsam mit Zeiss Oberkochen in Baden-Württemberg will die Jenoptik bis Ende Februar an einem Sanierungskonzept arbeiten, sagte Gattnar. Vorgesehen ist die Zusammenführung beider Unternehmen in eine Stiftung. Die Treuhandanstalt habe zugesagt, Jenoptik in den nächsten zwei Jahren nicht an Dritte zu verkaufen.

Der Geschäftsführer, der in der vergangen Woche vom Aufsichtsrat in seinem Amt bestätigt worden war, kündigte für 1991 die Neustrukturierung des Unternehmens durch Aufbau von neuen Geschäftsbereichen, Ausgliederungen mit westlicher Beteiligung sowie Stillegungen unrentabler Betriebsteile an.

Altschulden sowie finanzielle Belastungen durch Pensionszahlungen und Sozialpläne bezifferte Gattnar auf 2,4 bis 2,6 Milliarden D-Mark. Er hoffe jedoch nach Vorlage eines schlüssigen Sanierungskonzeptes auf Entschuldung durch die Treuhand. In den vergangenen zehn Jahren habe Zeiss Jena insgesamt 12,5 Milliarden D-Mark Gewinne an den Staatshaushalt abführen müssen.

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