Pillennotstand

Frankfurt a. M./Berlin (adn/taz) — Die Pharmakonzerne Boehringer Mannheim, Grünenthal, Bayer und ICI Pharma haben angekündigt, ab 1. Januar 1991 keine Medikamente mehr in die fünf neuen Bundesländer zu liefern. Ihre Begründung: Im Einigungsvertrag ist festgelegt, daß für Medikamente zur Entlastung der Krankenkassen ein Preisabschlag von 55 Prozent gilt, den Pharmaindustrie, Pharmagroßhandel und Apotheken tragen müssen.

Der Pharmagroßhandel Gehe Berlin bestätigte auch die Information, daß Unternehmen in den Ostländern ihre Preise kräftig anheben werden, um den Preisabschlag zu kompensieren.

Die Apotheken könnten ab 1. Januar 1991 noch vor dem Jahreswechsel von Westfirmen bezogene Arzneimittel nicht mehr verkaufen, weil sie dann den Verlust von 55 Prozent zu tragen hätten. Dies könne sich kein marktwirtschaftlich orientiertes Unternehmen leisten, hieß es aus Apothekerkreisen.

Die Abschlagsregelung gefährde massiv die sich in diesen Wochen in allen neuen Bundesländern vollziehende Privatisierung der Apotheken. Bei Festhalten an der im Einigungsvertrag fixierten Variante verringern sich die Nettogewinne der Apotheken um rund 60 Prozent. Die Rückzahlung der für die Privatisierung nötigen Kredite werde damit in Frage gestellt. Die Berliner Außenstelle des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung war am Dienstag nicht bereit, sich zur Strategie der westdeutschen Pharmaunternehmen zu äußern. Den geplanten 55prozentigen Preisabschlag für Arzneimittel bezeichnete Karl Jung, Leiter der Außenstelle, „in keinem Fall als ein Sonderopfer, das Pharmaindustrie, Großhandel und Apotheken erbringen müssen“. Um aber ein für alle Seiten befriedigenderes Ergebnis zu erreichen, werde derzeit in Bonn mit der Pharmaindustrie und den Apothekervertretungen über eine alternative Lösung verhandelt. Foto: D. Gust/Zenit