: Fremdwort »Streitkultur«
■ Zwischenstand bei den Koalitionsverhandlungen KOMMENTAR
Die Koalitionsverhandlungen zwischen den Elefantenhochzeitern stecken fest — darüber kann auch der Versuch der CDU, alles schön zu reden, nicht hinwegtäuschen. Über Einzelpunkte konnte man sich bisher verständigen, nicht mehr. Strittige Politikfelder wie etwa Verkehr oder Inneres kamen gestern in der dritten großen Koalitionsrunde gar nicht erst zur Sprache. Die CDU, die auf zügige Gespräche dringt, will den Eindruck erwecken, man könne im neuen Jahr bereits über Personalien sprechen. Dieser Eindruck trügt. Er trügt glücklicherweise, denn gerade eine große Koalition sollte nicht in zwei Wochen unter Dach und Fach gebracht werden. Die SPD trägt allerdings auch zur Legendenbildung bei: Wenn Walter Momper immer wieder orakelt, die Koalitionsverhandlungen hingen so lange in der Luft, wie die finanziellen Eckwerte aus Bonn nicht geklärt seien, ist das pure Augenwischerei. Niemals wird die SPD aus diesen sibyllinischen Äußerungen die Konsequenzen ziehen und deshalb eine Koalitionsvereinbarung nicht unterschreiben. Eine Partei, die vor der Oppositionsbank zurückschreckt, um die Stadt nicht unregierbar zu machen, wird sich erst recht nicht nach mehrwöchigen Verhandlungen diesem Vorwurf aussetzen. Unsicher wirken vor allem die beiden Spitzenpolitiker: Sie machen den Eindruck wie die beiden Kinder auf dem SPD-Wahlplakat, die einen zu großen Mantel übergestülpt bekommen haben — nur weniger fröhlich. Eberhard Diepgen freut sich seines Sieges, über seine neue Rolle in dieser Konstellation ist er sich aber nicht im klaren. Walter Momper hat zwar den ersten großen Schock verdaut, ist aber ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Rolle — nicht nur als Parteivorsitzender, sondern als Bürgermeister oder Fraktionschef. Streitkultur ist für diese Möchtegernkoalition bislang ein Fremdwort geblieben — und wird es bleiben. Kordula Doerfler
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