piwik no script img

„Man muß noch viel dran arbeiten...“

■ „Fort Boyard“ — eine Spielshow neuen Stils ab heute, 20 Uhr, Sat.1

„Action-game-show“ mit „Fantasy- Charakter“ ist die fernsehfachsprachliche Bezeichnung für eine Art von TV-Unterhaltung ein wenig abseits der Konvention. Weder Studio noch Sportplatz oder Spielfeld sind die Schauplätze der neuen Sat.1-Sendung, sondern das titelgebende ehemalige Militärgefängnis Fort Boyard, eine künstliche Insel vor der französischen Atlantikküste bei La Rochelle. Ein Team, bestehend aus sechs Personen beiderlei Geschlechts, wird per Schiff zum Fort gebracht und dort vom Herrn der Festung mit seinem eigentümlichen Personal empfangen. Hoch über dem Geschehen residiert der „Wächter der Schlüssel“. Zu ihm muß der Schnelldenker der Gruppe, denn es gilt, einige knifflige Rätsel zu lösen. Als Belohnung winkt ein Schlüssel für eine von insgesamt achtzehn Schatzkisten. Versagt der Herausforderer, wirft der weißhaarige Greis den Schlüssel aus dem Turm in ein knapp über dem Meeresspiegel hängendes Netz. Einer der sportlichen Mitstreiter kann jetzt noch versuchen, den Schlüssel aus diesem Netz herauszufischen, eine letzte, aber zeitraubende Chance für das Team. Ist der erste Schlüssel glücklich errungen, folgen die Kandidaten dem Herrn von Boyard von Zelle zu Zelle, in denen jeweils für einen Mitspieler oder eine Mitspielerin eine durch Geschick, Überlegung oder körperliche Kraft zu lösende Aufgabe wartet, deren Bestehen jeweils mit einem weiteren Schlüssel belohnt wird. Spannend wird es noch einmal am Schluß, wenn das Team, sollte es Zugang zur Schatzkammer erlangt haben, im Wettlauf mit der Zeit Goldmünzen zusammenraffen darf.

Die Basisidee dieser Fernsehshow neuen Stils stammt aus Frankreich. Neben Sendeanstalten aus den Niederlanden und Schweden nutzt von deutscher Seite aus Sat.1 die Kapazitäten, die von den französischen Produzenten mit immensem Aufwand auf dem alten Fort im Atlantik geschaffen wurden. Die Deutschen ergänzten das Spiel um eine Fantasy- Komponente. So wurde aus dem Spielleiter der gestrenge Herr von Boyard, der zu jeder Zelle eine Geschichte zu erzählen weiß und mit einschüchterndem Gebaren die „Delinquenten“ zu verunsichern sucht. Sollte die Reihe im nächsten Jahr fortgesetzt werden, möchte man, so der verantwortliche Redakteur Hans-Georg Kuckei, noch mehr Einfluß nehmen auf die Gestaltung der Spiele und das Konzept „optimieren“. Einige Schwachstellen, bedingt durch eng begrenzte Vorbereitungs- und Aufnahmephasen, hat Kuckei bereits ausgemacht. Dazu zählt sicherlich die noch unentschlossene Haltung des Herrn von Boyard alias Reiner Schöne, der als „schauspielernder Moderator“ noch zu sehr zwischen beiden Rollen schwankt, anstatt sie miteinander zu verbinden; der nicht, wie es angemessen wäre, ironisch oder burlesk agiert, sondern partiell über lächerliche Knallchargenmimik nicht hinauskommt. Neben der sträflichen Vernachlässigung der Kandidaten, die nur kanpp vorgestellt werden, stört zudem der unnötig hektische Ablauf der Spiele. Im Bemühen um temporeiche Aktion tat man zuviel des Guten zu Lasten der Überschaubarkeit, ein Eindruck, der noch forciert wird durch einen nervösen Bildschnitt. Ein schneller Ablauf vor der Kamera, eingefangen von einer bis zum Verschwinden unaufdringlichen Technik, käme der Spannung und dem Spaß des Zuschauers sehr zugute.

Hans-Georg Kuckei rechnet bereits mit kritischen Anmerkungen und verweist auf „ganz pragmatische, produktionstechnische Probleme, die wir dort hatten, von denen wir nicht im geringsten ahnten, daß diese auf uns zukommen“. Die Inszenierung, so der Sat.1-Redakteur, hat merklich unter diesen Bedingungen gelitten. „Wir haben vielleicht ein bißchen diesen gigantischen Aufwand unterschätzt.“ Für Kuckei sind die ersten acht Folgen „ein erster Schritt“, dem, sollte die Show beim Publikum ankommen, notwendig der zweite folgen muß, nämlich „über diese Dinge noch einmal nachzudenken und sie zu beeinflussen“. Redakteur Kuckei erinnert daran, daß auch die erste Folge von Wetten, daß... anders aussah als die vierundzwanzigste.

Reizvoll ist das Konzept einer Art „Spiel ohne Grenzen“ mit phantastischen Komponenten, in internationaler Zusammenarbeit vor authentischen Kulissen gedreht, auf jeden Fall [habt ihr denn wirklich nichts anderes zu tun, als solche öden sandkastenspiele anzugucken, die bösartige s-in], und so lautet das treffende Fazit des Redakteurs: „Man muß noch eine Menge dran arbeiten, aber es ist einen Versuch wert, und es steht dem Hause Sat.1 gut zu Gesicht, sich einmal auf so ein Feld zu wagen...“, beziehungsweise auf so ein Fort... Harald Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen