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Zuckerbrot und Peitsche von de Klerk

Südafrikas Präsident verkündet Straffreiheit für politische Flüchtlinge  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Südafrikas Präsident Frederick de Klerk hat den African National Congress (ANC) am Dienstag abend scharf kritisiert. In einer kurzfristig vorgezogenen Weihnachtsansprache im staatlich kontrollierten Fernsehen reagierte de Klerk auf die Drohung des ANC, Kontakte mit der Regierung abzubrechen, wenn der Reformprozeß nicht beschleunigt wird. Die ANC-Konferenz hatte am Wochenende verschärfte Massenaktionen wie Demonstrationen und Boykotte angekündigt, um „die Übergabe der Macht an das Volk“ zu erreichen. „Es ist an der Zeit, daß der ANC entscheidet, was er will“, sagte der Präsident im bisher schärfsten Angriff auf die Organisation, mit der er seit Mai Gespräche führt. „Wollen sie dem Bekenntnis ihrer Führer zu friedlichen und verhandelten Lösungen folgen, oder wollen sie zurückkehren zu der Konfrontation und den Konflikten der Vergangenheit?“

De Klerk richtete sich vor allem an die weiße Bevölkerung und war bemüht, ihre Ängste über die Zukunft zu beruhigen. „Die Regierung wird einen Zustand der Anarchie in unserem Land nicht zulassen“, sagte der Präsident. „Wir werden nicht vor radikalem Druck kapitulieren. Wir werden nicht davor zurückschrekken, alle erforderlichen Mittel zu benutzen, um für Stabilität zu sorgen.“ Die Regierung werde in Kürze zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ankündigen. Aber trotz de Klerks Schärfe enthielt seine Ansprache keine konkrete Drohung.

In einer eher konzilianten Entwicklung hatte die Regierung ebenfalls am Dienstag die Straffreiheit für die wohl größte Gruppe der etwa 40.000 exilierten Apartheidgegner angekündigt. Für Leute, die lediglich aufgrund des illegalen Verlassens Südafrikas oder aufgrund ihrer Mitgliedschaft einer bisher verbotenen Organisation angeklagt werden konnten, ist nun die Rückkehr nach Südafrika möglich. Mit der Erklärung der Straffreiheit war die Regierung zum Teil auf die Forderungen der ANC-Konferenz eingegangen, den Prozeß der Freilassung politischer Gefangener und der Rückkehr exilierter Südafrikaner zu beschleunigen. Bisher war Straffreiheit nur nach einer Prüfung des Einzelfalls möglich.

Sprecher des ANC und der südafrikanischen Polizei stritten sich indessen über die Pläne des ANC, Selbstverteidigungsgruppen unter Beteiligung bewaffneter ANC-Guerilleros zu bilden. Ein Sprecher der Polizei warnte, daß „private politische Heere“ zu zusätzlichen Konfrontationen und sogar zu Bürgerkrieg führen könnten. „Die Polizei wird es niemandem erlauben, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen.“ Chris Hani, Leiter der ANC- Armee „Umkhonto we Sizwe“, wies aber darauf hin, daß die Regierung die Bildung von Selbstverteidigungsgruppen der neonazistischen Burischen Widerstandsbewegung (AWB) ausdrücklich toleriert habe. „Die AWB wird von der herrschenden Klasse geschützt“, sagte Hani.

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