VONHEINZBRINKMANN

DERKINO-TIP  ■  KOMM IN DEN GARTEN

Als Alfred in einer Zeitung blättert und das Bild eines brennenden Trabbis erblickt, sagt er weinend: »Die Ära des Trabbis ist auch meine Geschichte.«

Alfred, Micha und Dieter, die Protagonisten in dem Dokumentarfilm »Komm in den Garten«, verbindet eine enge Freundschaft und ein ähnliches Schicksal. Alle drei sind gescheiterte Existenzen, an denen sich der DDR- Staat vergangen hat. Während der Zuschauer sie für ein paar Tage in ihrem Leben begleiten darf, erzählt jeder seine eigene Geschichte.

Jede Geschichte ist stellvertretend für die jeweilige Generation. Eins haben sie aber alle gemeinsam: Sie wurden von den bürokratisierten, pervertierten Utopien überrollt, wie die heißen Kartoffeln fallengelassen und brutal ins Abseits gedrückt.

Einen Monat lang begleitete das Filmteam den Alltag der Kumpane in ihren unmittelbaren Lebensräumen. Die verschiedenen Wohnungen, deren Hinterhöfe und die Dächer, auf denen sich im Sommer oft ein reges Treiben und Musizieren abspielt, vermitteln einen intimen Eindruck.

Bei der Darstellung dieser Solidargemeinschaft wird der Film nie rührselig oder wehleidig, sondern überrascht mit seiner neuen Art, filmisch zu erzählen. Feinfühlig werden bestimmte Szenen initiiert und bekommen dann ihre ganz eigene Dynamik. Zum Teil werden Alfred oder Micha dermaßen ihrer Emotionalität ausgesetzt, daß es hart an die Grenze des Erträglichen im dokumentarischen Sinne geht.

Grund für die einzigartig-authentische Darstellung ist sicherlich die enge Freundschaft, die die Regisseure Heinz Brinkmann und Jochen Wisotzki mit den Darstellern verbindet. Ihnen allen diente der Prenzlauer Berg als letztes Refugium. Hier war es möglich, mit Hilfe von Freundschaften innere Stabilität und Selbstwertgefühl zu finden.

In dieser Tragikomödie wird das Scheitern einzelner und einer ganzen Gesellschaft gezeigt, aber trotzdem humorvoll behandelt. Die Komik, die der Sache selbst innewohnt, wird belassen, und von den Hauptdarstellern und durch die Montage herausgearbeitet.

»Komm in den Garten« ist sowohl für beide Regisseure als auch für die drei Kumpane eine Befreiung. Sie behandeln ihr eigenes Thema, zeigen viel Gefühl und nehmen eine neue Haltung ein; sie brechen das Schweigen und zeigen individuelle Aspekte, die man verborgen halten mußte.

Honoriert wurde die 93—minütige Produktion mit der Silbernen Taube auf dem internationalen Dokumentar- und Kurzfilmfestival 1990 in Leipzig. Auch für die Berlinale ist dieser Film mein Geheimtip.

Im Babylon—Mitte wird »Komm in den Garten« einmalig am 22.12. als Premiere für die Drei, den Prenzlberg und den Rest zu sehen sein.

Attila Wiedemann