: Polizist schießt Rumänen in Rücken
■ Nach Raubüberfall auf Asylheim schießt ein Rumäne einem Kriminalpolizisten mit Gaspistole ins Gesicht, flüchtet und wird erschossen
Wilmersdorf. Ein Kriminalbeamter hat in Wilmersdorf auf einem Parkplatz in der Nacht auf Donnerstag einen rumänischen Staatsbürger erschossen. Hintergrund war ein Raubüberfall auf das Asylheim in der Fritz-Wildung-Straße. Nach Angaben der Polizei habe der Rumäne Petrisor D., der möglicherweise an dem Überfall nicht beteiligt gewesen war, dem 36jährigen Polizeihauptmeister Dietrich F. mit einer Gaspistole »aus nächster Nähe« ins Gesicht geschossen, um sich so einer Kontrolle zu entziehen. Dietrich F. sei sofort bewußtlos zusammengebrochen. Als Petrisor D. daraufhin von dem Parkplatz neben dem Containerheim fliehen wollte, habe der 35jährige Polizeihauptmeister Frank L. gerufen: »Halt, Polizei, stehenbleiben oder ich schieße!« Da der Rumäne nicht stehenblieb, habe der Polizist erfolglos einen Warnschuß in die Luft gefeuert und dann — da er davon ausgegangen sei, daß der Flüchtende seinen Kollegen mit einer scharfen Waffe erschossen habe — »drei gezielte Schüsse in Richtung Beine abgegeben«. Doch eine Kugel traf den 21jährigen tödlich in den Rücken.
Die Polizisten waren eine Stunde zuvor, etwa gegen 22 Uhr, in die Fritz-Wildung-Straße gerufen worden, weil eine Gruppe Unbekannter dort das Containerheim mit Asylbewerbern überfallen hatte. Nach der Darstellung des 25jährigen rumänischen Heimbewohners Florin Vicol hätten drei von sechs unbekannten Männern zuerst den Container Nummer 86 überfallen. Auf ihn und seine zwei Freunde sei mit einer Schußwaffe oder Gaspistole eingeschlagen, Tränengas versprüht und mit Füßen eingetreten worden. Die Täter hätten den Container offenbar nach Geld durchsucht. Auf rumänisch habe einer gefragt, wo die anderen Leute wohnen würden. Die sechs hätten sich dann davongemacht. Vicol erlitt eine Kopfplatzwunde und mußte später zusammen mit seinen beiden Freunden ambulant behandelt werden. Ein Mann vom Wachschutz rief die Polizei. Doch die beiden gerufenen Kriminalpolizisten konnten niemanden erwischen, entdeckten aber eine Stunde später das Auto auf dem benachbarten Parkplatz, in dem Petrisor D. und der 26jährige rumänische Heimbewohner Mihai P. saßen. Die Kripo-Männer hätten sich mit beleuchteter Anhaltekelle und Dienstmarken als Polizisten ausgewiesen.
Ines Pfennig, Leiterin des Heims, konnte sich den Raubüberfall, bei dem die sechs Täter 50 DM erbeutet haben sollen, nicht erklären: Die 77 Heimbewohner erhalten pro Tag lediglich 4,55 DM Taschengeld.
Ob der Polizist überhaupt schießen durfte, wird routinemäßig die Mordkommission klären. Auf keinen Fall handelte Kriminalbeamter Frank L. aus Notwehr, da Petrisor D. flüchtete. Auf Flüchtende darf nur geschossen werden, wenn sie mit einer scharfen Waffe bewaffnet sind, und dann auch nur, um sie fluchtunfähig zu machen. Der »zu erwartende Erfolg« darf nicht »außer Verhältnis zum zu erwartenden Schaden sein«, heißt es im entsprechenden Berliner Gesetz für Vollzugsbeamte. Wie erfolgversprechend die angeblich gezielten Schüsse sein konnten, war gestern nicht zu klären. Dirk Wildt
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