Die Bahn erhöht die Preise

■ Höhere Tarife bei der Bundesbahn/ Fünfzig Prozent Preiserhöhung bei der Reichsbahn

Berlin (taz) — Um 2,5 Prozent hat die Bundesbahn ab Anfang Januar ihre Preise erhöht. Offizielle Begründung: Die Bahn sei ein betriebswirtschaftlich denkendes Unternehmen und müsse am Markt nehmen, was es kriegen könne. 50 Millionen mehr will sie durch die Preiserhöhung 1991 kassieren. Im einzelnen wird der Kilometerpreis in der zweiten Klasse auf 22 Pfennige angehoben. Das Trampermonatsticket, mit dem junge Leute bis 26 einen Monat auf allen Strecken der Bundesbahn frei fahren können, wird gleich um 24 Mark auf 290 Mark verteuert. Bei „Rail and Fly“ werden bis Preise für Strecken unter 250 Kilometer von 75 auf 80 Mark angehoben. Von den Streckentarifen bleibt einzig der Kurzstreckentarif für Strecken unter 10 Kilometer beim alten Preis.

Im vergangenen Jahr hatte die Bundesbahn allerdings nicht durch Preiserhöhungen ihre Einnahmesteigerungen verbucht. Mehrverkehr trug zu einer Verbesserung des Betriebsergebnisses im Personenverkehr von immerhin 200 Millionen Mark bei. Offenbar spielte diese Entwicklung bei der Entscheidung für die neuen Tarife noch keine Rolle. Die Tariferhöhung müßte nämlich sonst erheblich mehr als jene 50 Millionen in die Bahnkassen spülen, von den die Bundesbahn ausgeht. 50 Millionen mehr wären nur eine Einnahmesteigerung von einem Prozent, bei 2,5 Prozent Preiserhöhung befürchtet die Bahn dagegen offenbar ein Ausbleiben ihrer Fahrgäste.

Die Reichsbahn in den fünf neuen Bundesländern hat Anfang Januar noch erheblich derber zugeschlagen. Die bisher von einem Kilometerpreis von 8 Pfennigen in der zweiten Klasse verwöhnten ehemaligen DDR-Bürger sollen nun praktisch ohne Komfortverbesserung gleich 50 Prozent mehr bezahlen, nämlich 12 Pfennige pro Kilometer. Damit werden zwar noch mehr neue Bundesbürger von der langsamen Reichsbahn ins Auto vertrieben, aber das interessiert in der neuen Reichsbahnführungsetage offenbar niemanden. Auch dort ist man vom betriebswirtschaftlichen Bazillus infiziert. Der wirtschaftlich rechnende ehemalige DDR-Bürger rechnet wahrscheinlich anders. Im vergangenen Jahr ist ein DDR-Bürger im Schnitt noch fast doppelt soviel Eisenbahn gefahren wie ein Westbürger. 1.350 Kilometer legten die DDR-Bürger mit der Eisenbahn zurück, die alten Bundesbürger dagegen nur 720. Die gemeinsame Fahrt nach Stralsund kostet ein 28jähriges Berliner Päärchen mit dem neuen Tarif rund 50 Mark für einen Weg. Bei Gebrauchtwagenpreisen für einen alten Trabi von 150 Mark liegt der Gedanke, sich ein solches Gefährt zuzulegen, nahe. ten