: Klima der Ausgrenzung
■ Betr.: "Unter Beobachtung", taz vom 17.12.90
betr.: „Unter Beobachtung“ (Die Innenminister prüfen die Verfassungsfeindlichkeit der PDS), Kommentar von Matthias Geis, taz vom 17.12.90
Der Kommentar [...] zeigt leider einmal mehr das Unvermögen vieler taz-Schreiber, sich fair und differenziert mit der PDS auseinanderzusetzen. Da rät der Kommentator großzügig zu mehr Souveränität und Gelassenheit (scheinbar der „Demokraten“) im Umgang mit der „SED- Nachfolgepartei“, ja er prognostiziert sogar, daß nur eine geheimdienstliche Verfolgung Zusammenhalt und Perspektive der Partei durch Solidarisierungseffekte noch sichern kann. Ich frage mich nur: Wie soll denn „die politische Auseinandersetzung mit der PDS, der gelassen entgegengesehen werden soll“, aussehen?
Die Glaubwürdigkeit der PDS hat durch die Finanzmanipulationen zweifellos stark gelitten. Wirkliche Demokratie, ehrliche Aufarbeitung der Geschichte und Transparenz nach außen können sich aber in solch einem gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzung beziehungsweise verordneten Ignorierung nur schwer entwickeln, was keine Entschuldigung für die Vorkommnisse in der PDS sein soll.
Das gleiche gilt für die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit. Ich halte zum Beispiel die taz-Veröffentlichung von allen angeblichen Stasi- Wohnungen für das ungeeignetste Mittel der gesellschaftlichen Aufklärung, da es entgegen anderslautenden Voraussagen zumindest zu anonymen Drohungen kam. Ganz anders eine Diskussionsveranstaltung vor ca. zwei Monaten im Haus der jungen Talente:
Hier diskutierten Bärbel Bohley (Neues Forum) und Rainer Börner (PDS) über ihre unterschiedlichen Erfahrungen als „Opfer“ und „Täter“, was einigen jungen Leuten aus dem Publikum den Mut gab, sich zu ihrer MFS-Geschichte zu bekennen und mit anwesenden Vertretern von Bürgerbewegungen über Beweggründe, Folgen und daraus (gemeinsam) zu ziehende Konsequenzen zu diskutieren. Ein Dialog, der leider kaum geführt wird, auch weil Medien (zum Teil auch die taz) mit Pauschalurteilen über PDS- und Stasi- Mitglieder dies verhindern, anstatt ihn zu fördern. Carsten Schulz, Berlin
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