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Riga: Druckerstreik gegen Besetzung

■ Okkupation des Druckhauses durch Sondereinheiten der sowjetischen Miliz stößt auf Widerstand

Gestern ist in Lettland keine der überregionalen Zeitungen erschienen. Der Grund: Die „Schwarzen Barette“, eine dem Moskauer Innenministerium direkt unterstellte Sondereinheit, haben am 2. Januar das Kommando im Rigaer Pressehaus übernommen. Als Reaktion auf diesen Schritt streiken seither die Drucker. Damit ist ein bereits seit längerem schwelender Konflikt zwischen der Regierung Lettlands und der moskauorientierten örtlichen KP in eine offene Konfrontation gemündet. Das Pressehaus in Riga, das die Redaktionen von 29 überregionalen Zeitungen und Zeitschriften sowie die einzige Großdruckerei Lettlands beherbergt, ist in den 70er Jahren mit Mitteln der KPdSU errichtet worden, formeller Eigentümer ist der Verlag des ZK der KP Lettlands. Nur — diesen Verlag hat sich die KP 1967 durch die entschädigungslose Enteignung des damaligen Staatsverlages geschaffen.

Folgerichtig hat die lettische Regierung am 27. 9. 1990 beschlossen, den ZK-Verlag wieder in Staatseigentum zu überführen, bzw. in eine AG umzuwandeln — immerhin noch mit einer Minderheitsbeteiligung der KP. Noch am selben Tag rückten die „Schwarzen Barette“ in das Pressehaus ein, wo sie seither in den Gängen patroullieren, allerdings ohne in die Produktion einzugreifen. Über die Druckmaschinen lief bislang die moskautreue 'Cina‘ ebenso wie das Volksfrontblatt 'Atmoda‘.

Wie Radio Riga meldete, haben bewaffnete Mitglieder der Spezialeinheit den Vorsitzenden der neuen Aktiengesellschaft, Kazimirs Dundurs, am 2. Januar in seinem Büro bis zum Abend unter Arrest gestellt. Dundurs erklärte später, Vertreter der KP Lettlands hätten ihn mehrfach ultimativ aufgefordert, das Scheckheft und das Dienstsiegel der Aktiengesellschaft abzuliefern, andernfalls müsse er sich „Gedanken machen in Hinblick auf Leib und Leben“.

Maris Čaklais, Chefredakteur der Kultur-Wochenzeitung 'Literatura un Maksis‘, berichtet der taz: „Es waren etwa 20 bis 30 „Schwarze Barette“, sie ließen niemanden ohne Hausausweis in das Gebäude, nicht einmal Mitglieder der lettischen Regierung. Die Taschen der Journalisten wurden gefilzt, Filme aus Fotoapparaten gerissen und belichtet. Gegen die Menschenmenge, die sich vor dem Pressehaus versammelt hatte, gingen die Barette mit Schlagstöcken vor.“

'Tass‘ gegenüber hat der Chef der KP Lettlands, Alfréds Rubiks, erklärt, daß das Vorgehen der Schwarzen Barette mit Entscheidungen des sowjetischen Präsidenten übereinstimme. „Der Verlag ist Parteieigentum und wir werden dieses verteidigen“, so Rubiks.

Máris Čaklais weiter: „Auf der Betriebsversammlung im besetzten Pressehaus führte der von der KP abgestellte Direktor Vrublevskis wörtlich aus: „Wir sind gekommen, um für euch die äußeren Bedingungen für ein ruhiges Arbeiten sicherzustellen.“ Seinen Versuch, die Drucker durch höhere Löhne zu ködern, führte sofort zu einem unbefristeten Streik.

Mittlerweile haben regionale Zeitungen ihre Unterstützung zugesagt: Čaklais: „Für den Fall, daß wir im Pressehaus unsere journalistische Arbeit nicht mehr fortsetzen können, stellen sie uns ihre Spalten und Druckkapazitäten zur Verfügung. Auch Privatleute haben uns schon Geld und Transportmöglichkeiten angeboten.“. Roberts Bérzinš

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