: Atomtestgegner treffen sich in Las Vegas
In Nevada gibt es noch immer unterirdische Atomtests 40 Länder fordern vollständiges weltweites Testverbot ■ Aus Las Vegas Jerry Sommer
Zusammen mit der Umweltschutzorganisation „Greenpeace“ haben amerikanische Friedensgruppen für den 4. und 5. Januar in Las Vegas eine internationale Konferenz und eine Demonstration für einen vollständigen Atomteststop vorbereitet. Hier sind Wissenschaftler, aber auch Betroffene aus Kasachstan, dem sowjetischen Testgelände, dem Muroroa-Atoll im Pazifik, wo Frankreich seine Atomtests durchführt, und aus Nevada zusammengekommen. Am 7. Januar beginnt in New York eine Konferenz zum selben Thema. Dort werden allerdings nicht Aktivisten, sondern Diplomaten zusammensitzen, um über ein vollständiges Testverbot zu verhandeln.
Einen ungewöhnlichen Besuch erhielt im Dezember Las Vegas im US-Staat Nevada: Olzhas Suleimenow, ein Schriftsteller aus Kasachstan und Mitglied des Obersten Sowjets der Sowjetunion kam hierher, um in der Welthauptstadt des Glückspiels für Nachahmung zu werben. In Kasachstan hat er geholfen, eine Volksbewegung gegen die sowjetischen Atomtests im dortigen Semipalatinsk ins Leben zu rufen, die inzwischen praktisch einen Atomteststop von unten durchgesetzt hat. Seit Oktober 1989 hat die Sowjetunion in Kasachstan — bis auf einen Ende Oktober auf der Insel Novaja Semlja — keinen Test mehr durchgeführt.
In der Wüste Nevadas, rund 100 Kilometer von Las Vegas entfernt, hat das US-Militär allein 1990 neun Atomtests gezündet. In der Stadt interessiert man sich wenig für dieses Thema, berichtet Deborah Richardson von der Gruppe „American Peace Test“, eine 25jährige Amerikanerin, die in Las Vegas seit Jahren gegen die Nukleartests aktiv ist. „Nach meinem Eindruck merken die US-Bürger im großen und ganzen nicht, daß überhaupt noch Tests stattfinden. Hier in Nevada wissen sie es, aber sie machen sich darüber keine Sorgen. Sie sind unterirdisch und damit sicher, glauben sie. Sie bekommen zwar mit, daß Abgase frei werden, aber wenn radioaktive Gase frei werden, dann ist das nur eine drei Zentimeter kleine Meldung in der Zeitung.“
Die Nukleartests werden in Nevada zwar per Radio und Fernsehen angekündigt. Bauarbeiter sind aufgefordert, zum Zeitpunkt der Explosion nicht oberhalb des achten Stockwerkes an Gerüsten zu arbeiten. Grubenarbeiter dürfen sich nicht unter Tage aufhalten. Doch trotz solcher Warnungen akzeptiert die Mehrheit der inzwischen 700.000 Bewohner von Las Vegas — von den Millionen Glücksspiel-Touristen ganz zu schweigen — die einzelnen unterirdischen Tests kommentarlos als etwas völlig Normales — vielleicht auch wegen der Arbeitsplätze, die mit ihnen verbunden sind. Denn auf dem Atom-Testgelände sind etwa 11.000 BürgerInnen von Las Vegas beschäftigt.
Hier in der Wüste wurden bis 1963 auch die oberirdischen amerikanischen Atomtests durchgeführt. In der Umgebung des Testgeländes ist deshalb die Rate der Krebskranken überdurchschnittlich hoch. Auch eine Reihe von Angestellten des Testgeländes und US-Militärangehörige, die zur Beobachtung der Tests abgestellt worden waren, sind erkrankt beziehungsweise inzwischen gestorben.
„American Peace Test“ („Amerikanischer Friedens-Test“) tritt für ein vollständiges und weltweites Verbot von Nukleartests ein. Dies würde nicht nur die weitere Umweltverseuchung, die mit dem Test gegeben ist, beenden. Zusätzlich könnte so ein weiterer wichtiger Schritt zur Beendigung des Wettrüstens geleistet werden. Auch könnte ein vollständiges Atomtestverbot dazu beitragen, daß nicht noch mehr Länder der Welt Atomwaffen entwickeln.
Bei der am 7. Januar stattfindenden Konferenz verlangen 40 Unterzeichnerstaaten des 1963 abgeschlossenen Vertrages über ein begrenztes Atomtestverbot über der Erde, unter Wasser und im Weltraum die Ausweitung des Verbotes auch auf unterirdische Atomtests. Darunter sind Mexiko, Indonesien, Venezuela, Jugoslawien und Indien. Die US-Regierung hat jedoch schon angekündigt, gegen ein vollständiges Atomtestverbot ihr Veto einlegen zu wollen.
Ozah Suleimenovs Reise nach Las Vegas war Teil einer größeren Kampagne gegen Atomtests. Deborah Richardson hofft, daß sie wenigstens ein bißchen dazu beigetragen hat, die Atomteststopp-Kugel ins Rollen zu bringen.
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