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Serrano macht das Rennen

Der ehemalige Präsident im Staatsrat der diktatorischen Regierung Montt ist der zweite demokratisch gewählte Präsident Guatemalas/ Heute gibt er sich als guter Demokrat  ■ Von Martin Lettmayer

Berlin (taz) — „Heute mehr denn je braucht Guatemala das Beste — und wir haben es: Jorge Serrano Elias.“ Mit diesem Wahlspruch zog die rechtskonservative Partei MAS (Movimiento de Accion Solidaria) in den Wahlkampf. Sehr spät. Erst zwei Monate vor dem ersten Wahlgang am 11. November 1990 stieg Serrano Elias wie Phönix aus der Asche. Chancen für einen Sieg bei den Stichwahlen am 6. Januar gab ihm damals niemand. Die Umfragen verwiesen ihn auf den dritten Platz. Man irrte.

„Wissen Sie, mit wem Sie sprechen? Sie sprechen mit dem Präsidenten der Republik.“ Mit diesen Worten begrüßte Serrano Elias seine Anhänger im MAS-Wahlzentrum am Abend des 11. November, als sein unerwarteter Einzug in die Stichwahl gewiß war. Der selbstbewußte, international wohlbekannte Berufspolitiker sollte recht behalten. Am 14. Januar wird er als zweiter demokratisch gewählter Präsident Guatemalas vereidigt.

„Das Beste“ für Guatemala zu sein ist bisher nur ein Versprechen. Kein Thema hat er im Wahlkampf ausgelassen: Auslandsverschuldung, Bildungsoffensive, öffentliche Sicherheit, Menschenrechte, Entmilitarisierung und einen Dialog mit der Guerilla URNG ohne Vorbedingungen. „Hay solucion“ — „Es gibt eine Lösung“ — ist das rhetorische Element beim Themenwechsel. Reden kann er: 1966 gewann Serrano als Präsident der Vereinigung der Ingenieurstudenten den Zentralamerikanischen Universitätsredewettbewerb. Aber Reden konnte auch sein Vorgänger Vinicio Cerezo, der im Land Worthülsen säte, Armut, Gewalt und Unterentwicklung erntete. Diesen Acker muß Serrano jetzt aufarbeiten. Worte werden da nicht genügen.

Die 70er Jahre verbrachte der neue Präsident bei verschiedenen internationalen Organisationen, und 1976 leitete er das Notprogramm nach dem verheerenden Erdbeben. Einen Höhepunkt seiner Karriere erreichte der 45jährige Serrano Elias in den Jahren 1982 und 1983. Der Diktator Efrain Rios Montt holte ihn in sein Kabinett. Er wurde Präsident des Staatsrates der Republik. Mit Rios Montt, der Guatemala als Blutfleck auf der politischen Landkarte hinterließ, wurde auch Serrano weggeputscht. Sein politisches Comeback bei den Präsidentschaftswahlen 1985 gelang nicht. Heute hängt sich Serrano ein neues Mäntelchen um. Seinen Ausritt in die Diktatur Anfang der 80er Jahre konnte er kaschieren. Als Verhandlungsführer der Nationalen Versöhnungskommission, die den Frieden mit der Guerilla sucht, konnte er sich 1990 das Image eines Menschenrechtlers verleihen. Und durch den Job als Präsident der Beobachtungskommission der Internationalen Demokratischen Union (der auch die CDU angehört) bei den Wahlen in Nicaragua strahlte die neue weiße Weste Serranos sogar in Europa.

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