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Kabelwerk hofft auf West-Partner

■ KWO Kabel AG, ehemaliges Kombinat, hofft auf volle Auftragsbücher durch die Partnerschaft mit AEG

Berlin. Für die Berliner KWO Kabel AG, zu DDR-Zeiten als Kombinat Kabelwerk Oberspree einziger Kabelhersteller auf dem ostdeutschen Markt, ist eine neue Perspektive in Sicht. Nach der Neustrukturierung, bei der sich sieben von 13 ehemaligen Kombinatsbetrieben mit 60 Prozent des früheren Produktionspotentials für die Zusammenarbeit in einer AG entschieden, gehört sie auch heute zu den Führern dieser Branche in Deutschland.

Vorstandsvorsitzender Klaus Sander bezifferte das jährliche Produktionsvolumen auf 900 bis 950 Millionen Mark. Die Belegschaft zähle bisher noch 9.000 Leute, deren Zahl allerdings auf möglichst sozial verträgliche Weise weiter sinken soll. Eine große Tafel am Werktor mit Umschulungsangeboten in mehr als 20 Berufsgruppen zeigt, wie Überhänge abzubauen sind. Ein Kahlschlag durch Massenentlassungen sei nicht vorgesehen.

Bei allen Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung in der nächsten Zeit rechnet sich die KWO Kabel AG doch einigermaßen sichere Chancen auf dem ostdeutschen und internationalen Markt aus. Vor der Wende war etwa ein Drittel der Erzeugnisse exportiert worden, davon die Hälfte in etwa 40 westliche Länder. Nun kommt es darauf an, als einen wichtigen Posten die 15 Prozent Anteil am Absatz zu halten, die in die UdSSR gingen. Die Umstellung auf Weltmarktpreise kommt »befriedigend« voran, und auch die Finanzierung durch die sowjetische Seite betrachtet er als lösbar. Das Riesenland kann ohne Kabelimporte nicht auskommen.

Da die KWO schon seit mehr als vier Jahrzehnten auf diesem Markt agiert — nach dem Krieg war das Unternehmen zunächst der Sowjetischen Militäradministration unterstellt —, kann es sich auf seine intimen Kenntnisse in jeder Hinsicht verlassen. Einige seiner Fachleute haben an Hochschulen der UdSSR studiert. In langjähriger Zusammenarbeit entstanden zudem typische Konstruktionen, die den Landesnormen entsprechen. »Viele Partner haben ihr Vertrauen bekundet, von uns das zu bekommen, was sie brauchen«, meint Sander, der auch mit Aufträgen bei dem vom Bund finanzierten Wohnungsbau für die aus Deutschland abziehenden Sowjettruppen rechnet.

Als zweitgrößten Abnehmer nach der UdSSR nennt der Vorstandschef die Bundespost, die ehemaligen DDR-Betrieben zunächst für 1991/92 auf der Basis der »Präferenz marktnaher Produktion« Aufträge erteilt. Die innerhalb von sieben Jahren geplanten 7,1 Millionen Hauptanschlüsse für das ostdeutsche Telefonnetz wecken berechtigte Hoffnungen auf volle Auftragsbücher. Gemeinsam wollen sich KWO Kabel AG und die AEG auch um private Projekte in diesem Bereich, so als Komplettanbieter einer Trasse bemühen. Weitere potente Abnehmer sind die Energiewirtschaft und die Industrie mit Herstellern von Motoren, Transformatoren, Haushaltsgeräten, Fahrzeugen. »Wir werden alte Partnerschaften aufrechterhalten«, meint Klaus Sander, der in den letzten zehn Jahren bei KWO als Direktor für Absatz und Außenwirtschaft zuständig war und sich auch heute noch speziell um Marketing kümmert.

Ende des ersten Quartals ist für die KWO Kabel AG ein entscheidender Schritt in die Zukunft zu erwarten: Das Zusammengehen mit der AEG Kabel AG, die schon seit etwa einem Jahr kräftig bei der Neugestaltung des Ex-Kombinates mitmischt, soll dann vertraglich fixiert werden. Dabei geht es um Mehrheitsbeteiligung oder Übernahme durch den Partner im Westen. Als Zielpunkt ist das Jahr 1995 im Gespräch. Dann soll die Produktivität — heute beim östlichen Partner noch die Hälfte der westlichen — zu dem der AEG aufgeschlossen haben.

Bis zur Unterzeichnung sind jedoch noch einige Klippen zu umschiffen. Dazu gehört die Bewertung der Kabel AG mit seinem fast hundertjährigen Berliner Stammwerk, die sich vermutlich noch bis Ende Januar hinzieht. Erst mit dem offiziellen Zusammengehen sind die notwendigen kräftigen Investitionen zu erwarten, die KWO den Weg in eine stabile Entwicklung ebnen sollen. dpa

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