piwik no script img

»Abwicklung«: Unruhe im Krankenhaus

■ Im ehemaligen »Diplomatenkrankenhaus« der SED formiert sich Widerstand wegen der Auswirkungen der »Abwicklung«/ Jetzt wurde Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht

Berlin. Zu erheblicher Unruhe hat die Entscheidung der Berliner Landesregierung geführt, das sogenannte Diplomatenkrankenhaus in der Scharnhorststraße umzustrukturieren. Der ärztliche Leiter des Krankenhauses, Bernd-Michael Eisenberg, sagte gestern auf einer Betriebsversammlung, er habe Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Maßnahme eingereicht. Sprecher des Betriebsrates und der ÖTV kündigten Proteste gegen die Abwicklung des 300-Betten-Hauses mit seinen fast 700 Mitarbeitern an.

Der Berliner Senat, vertreten durch Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD), hatte mit Schreiben vom 9. Januar den Dekan des Universitätsklinikums Charité, Harald Mau, mit der Umwandlung beauftragt. Maus Darstellung zufolge wird ein Teil des Krankenhauses von der Charité übernommen. Ein anderer Teil solle sich als wirtschaftlich eigenständige medizinische Einrichtung in Zusammenarbeit mit dem renommierten Deutschen Herzzentrum Berlin als zweites Berliner Herzzentrum etablieren.

Mau wie auch Eisenberg betonten, die Arbeitsplätze zumindest der Pflegekräfte seien gesichert. Diese erhielten zunächst bis 15. Februar befristete Verträge, die in Dauerverträge umgewandelt werden sollen. Bei den Ärzten und dem medizinisch-technischen Personal ist nach den Worten Maus »eine komplette Übernahme nicht möglich«. Es sei sein Ziel, Teile des Krankenhauses und der Ärzteschaft in möglichst kurzer Zeit für die Charité zu übernehmen. Im künftigen Herzzentrum II könnten weitere 120 bis 180 Mitarbeiter beschäftigt werden. In einer Pressemitteilung der Wissenschaftsverwaltung ist von 150 bis 200 Arbeitsplätzen die Rede.

Unklar ist, ob jene Ärzte des Diplomatenkrankenhauses, die sich in den vergangenen Monaten dort als frei praktizierende Ärzte niedergelassen haben, in dem Gebäude bleiben können. Die Verträge sind mit der Bundesvermögensverwaltung abgeschlossen worden. Mau will sich für befristete Nutzungsverträge einsetzen.

Kritisiert wurde, daß es sich um eine »rein politische Entscheidung« des Senats handele, die ohne Konsultation des Krankenhauses oder der Charité erfolgt sei. Senatorin Riedmüller hatte Eisenberg am 9. Januar angewiesen, alle Beschäftigten rückwirkend zum 1. Januar in den Wartestand zu schicken, keine Patienten mehr aufzunehmen und die verbleibenden Patienten in andere Kliniken zu verlegen. Nach Angaben Eisenbergs befinden sich zur Zeit 227 Patienten in der Klinik, wovon einige »nicht verlegungsfähig« seien.

Die Belegschaft wurde von einem ÖTV-Sprecher aufgefordert, sich am 16. Januar an der Demonstration der Humboldt-Universität gegen deren Teilabwicklung zu beteiligen. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen