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Muß Senat Milliardenloch stopfen?

■ Dem Senat fehlen mehr als vier Milliarden zur Stützung von Mieten, Tarifen und Brennstoffpreisen im Ostteil/ Fahrpreiserhöhungen auch im Westteil?

Berlin. Das Loch im Teilhaushalt für den Ostteil der Stadt wird vermutlich größer sein als bisher angenommen. In der Senatsfinanzverwaltung fürchtet man nicht nur um die sechs Milliarden Mark Bundeshilfe, die der Senat in Bonn beantragt hatte, die Bundesfinanzminister Waigel (CSU) aber nicht zahlen will. Abschreiben muß die Landesregierung darüber hinaus womöglich eine weitere Summe in Höhe von über vier Milliarden, die zur Stützung von Mieten, BVB-Tarifen und Brennstoffpreisen nötig wäre.

Für zahlreiche Preise und Tarife für das Gebiet der ehemaligen DDR waren im Einigungsvertrag Höchstgrenzen festgelegt worden, ohne daß geklärt war, wer die Kosten ausgleicht: Bund oder ostdeutsche Länder. In der alten DDR hatte die Ostberliner Regierung diese Subventionen gezahlt. Zum Ärger der Länder schiebt Bonn nun ihnen den Schwarzen Peter zu.

Ende letzter Woche wies Waigel in einem Brief die Berliner Forderungen schroff zurück. Der Finanzminister äußerte zwar »vollstes Verständnis« für die Finanzprobleme der ostdeutschen Länder, in Sachen Mieten, Tarife und Preise blieb er jedoch hart. Die Finanznöte der Länder, so Waigel, dürften »nicht dazu führen, daß sich der Bund in staatlichen Aufgabenbereichen finanziell engagiert, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes eindeutig Sache der Länder sind.«

Bleibt es bei dieser harten Haltung, kommen auf Berlin immense Kosten zu. Allein für die Stützung der Mieten veranschlagen Senatsexperten einen jährlichen Bedarf von 1,9 Milliarden Mark. Hinzu kämen weitere 1,7 Milliarden Altschulden des Ostberliner Wohnungsbaus, außerdem einige hundert Millionen Mark für die Bezuschussung der Brennstoffpreise. Der Haushalt der BVB wäre zu 80 Prozent ungedeckt: Die Direktion der Westberliner Schwesterbetriebe BVG errechnete für die BVB einen Verlust in Höhe von 557 Millionen Mark, den eigentlich der Bund tragen sollte. Aufgrund der extrem niedrigen Tarife bei Bussen und Bahnen in Ost-Berlin kann die BVB zur Zeit nur 18 Prozent ihrer Kosten selbst erwirtschaften. Ein Einzelfahrschein kostet 20 Pfennig, laut Einigungsvertrag darf er höchstens verdreifacht werden. Weil die Bundesregierung diese Höchstgrenze im Einigungsvertrag festgeschrieben habe, müsse sie nun auch die Zeche zahlen, wird in der Senatsfinanzverwaltung argumentiert.

Dazu ist Verkehrsminister Zimmermann (CSU) nicht bereit. »Berlin kann nicht mit Zuschüssen rechnen«, sagte Zimmermann-Sprecherin Gabriele Grimm zur taz. Die Alleinverantwortung für den Einigungsvertrag weisen die Bonner zurück. Der Vertrag sei ja »nicht ausschließlich vom Kanzler gemacht worden«, sagt Sprecherin Grimm. Unterdessen raufen sich die Planer in der Senatsverkehrsverwaltung die Haare. Für sie ist es schwierig genug, bei der BVG die 90 Millionen Mark einzusparen, die Finanzsenator Meisner (SPD) hier ohnehin wegkürzen will, um die ausbleibende Berlinhilfe aus Bonn zu kompensieren. Weil die Experten der Verkehrsbehörde weder beim Personal noch bei den Investitionen des Eigenbetriebes große Einsparmöglichkeiten sehen, denken sie jetzt schon daran, den Preis der Umweltkarte auch für Westberliner anzuheben. Schließlich sei der Wert der Karte gestiegen, seit sie auch im Ostteil der Stadt und im Umland gültig sei. Darüber hinaus basteln die Senatsexperten an Plänen, den Preis des Einzelfahrscheins im Ostteil der Stadt stärker anzuheben, als von der BVG bisher anvisiert. Das Ticket könne durchaus mehr als 60 Pfennig kosten, weil die Fahrgäste damit künftig auch umsteigen und in den Westteil der Stadt fahren könnten, wird argumentiert. Die im Einigungsvertrag festgelegte Begrenzung auf das Dreifache des bisherigen Preises könnte damit ausgehebelt werden, hoffen die Rechenkünstler des Senats. hmt

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