: Kaskaden im Leeren
■ Oft nebeneinander her: Improvisationen Numero 9
Es hat etwas Aberwitziges, angesichts des heraufziehenden Krieges eine Konzertbesprechung zu schreiben. Mir geht, trotz der anderen Situation, das Brecht-Gedicht „An die Nachgeborenen“ nicht aus dem Sinn (Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! / Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn / Deutet auf Unempfindlichkeit hin...) In der Hoffnung, daß der Wahnsinn doch noch abgewendet wird: ein Versuch.
Zum 9. Konzert der Reihe „Improvisationen“ hatte die veranstaltende Musiker-Initiative Bremen (MIB) sich ein Quartett aus Hannover eingeladen. Die Gäste kamen allerdings nur zu dritt. Bassist Jürgen Morgenstern hatte am Morgen einen schwereren Arbeitsunfall erlitten. Die drei Hannoveraner Thomas Österheld (ss, ts, b-cl), Michael Renkel (g) und Burkhard Beins (dr) stellten in ihren Improvisationen Soundgeflechte in den Mittelpunkt und verzichteten dabei weitgehend auf melodische Elemente und rhythmisches Gerüst. Strukturiert wurden die Stücke durch das An- und Abschwellen von Intensität und Lautstärke. So entwickelten die drei Musiker fließende, sich miteinander verschränkende Soundebenen.
Österheld ließ seine Saxophone schnattern, schmatzen, röhren, ließ fiepend-überblasene Höhen einfließen oder entsaugte dem Sopransax gequetschte Töne. Renkel ließ seine Gitarre schrammeln, klimpern, bearbeitete sie mit einem Metallstück oder mit dem Drumstick. Schlagzeuger Beins wirbelte dazu auf Toms und Becken, aber zurückhaltend: er spielte sich nicht in den Vordergrund; manchmal setzte seine riesige Bassdrum dumpfe Akzente. So entstanden reizvolle Klang- und Geräuschkaskaden, kantig, spröde und frei.
Quasi im fliegenden Wechsel folgten dann die Bremer Sabine Mariß (voice) und Hartmut Koehler (v). Die beiden hatten etwas Schwierigkeiten, so richtig zueinander zu kommen, flüchteten sich daher oft in rhythmische Patterns oder ließen ihre Statements, ob bewußt oder auch nicht, als Kontrast nebeneinander stehen.
Nach der Pause gab es verschiedene Duo-Kombinationen aus BremerInnen und Gästen. Auch die Duos litten am fehlenden Miteinander, selten gab es gestaltete Spannungsbögen, die Beiträge blieben oft zusammenhanglos. Mariß bewegte sich meist, ohne auszugestalten, in Andeutungen. Die aber waren andererseits auch nicht so dicht, daß sich ein Collage-Effekt hätte einstellen können.
Ausnahme war das Ensemble- Spiel am Schluß, in dem Mariß Gesprächsfetzen wie vokale Samples einbrachte, notwendig dafür war aber der dichtere Sound der größeren Formation. Die viel zu wenigen BesucherInnen waren aber durchaus angetan. Arnaud
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen