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Der Geldbote hat versagt

■ Das Berliner Koalitionsprogramm ist Makulatur

Schlimmer hätte es kaum kommen können, selbst wenn der Regierende Bürgermeister Dieter Kunzelmann geheißen hätte. Wehmütig werden sich die Berliner bald an die gute alte Zeit erinnern, in der zwar das rot-grüne Chaos herrschte, es sich ansonsten aber recht gut leben ließ. Bleibt es bei den Bonner Koalitionsbeschlüssen, dann müssen die Westberliner ab dem 1. Juli auf weit mehr verzichten als nur auf einen Teil ihres bisherigen Gehalts namens Berlinzulage. Gleichzeitig werden die ersten Firmen in Schwierigkeiten kommen, weil ihnen der Subventionssaft entzogen wird. Vielleicht wäre auch das noch zu verkraften, wenn nicht zur selben Zeit im Haushalt für Ost-Berlin eine 10-Milliarden- Lücke klaffte, die nun mit Westberliner Geldern gestopft werden muß.

Die Folgen sind kaum absehbar: höhere Mieten, weil der Wohnungsbau stagniert; noch mehr Autoverkehr, weil BVG und BVB kürzertreten müssen; mehr Obdachlose, weil Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot wachsen. Die deutsche Einheit, das zeigt sich nun endgültig, ist ein Schwarzer-Peter-Spiel. Aus Angst vor Steuererhöhungen schiebt Bonn die Kosten auf die Länder ab. Doch auch dort sucht man sich die unangenehmen Folgen möglichst weit vom Leib zu halten. Die ersten Kürzungsvorschläge des Finanzsenators treffen Hochschulen, soziale Projekte und die BVG — als ob man dort nicht dieselben Schwierigkeiten beim Abbau von Leistungen und Personal hätte wie die Landesbehörden selbst.

Die Senatskoalition ist nun scheinbar perfekt, in Wahrheit jedoch ist ihr Programm Makulatur. Die wahren Schuldigen, das wird der Senat immer wieder beteuern, sitzen natürlich am Rhein. Die Rolle der Sparkommissare jedoch müssen die Senatorinnen und Senatoren in Berlin jetzt selber spielen, auch wenn sie das nicht recht wahrhaben wollen. Die SPD mag sich freuen, weil Diepgen als Geldbote kraß versagt hat. Aber auch Tempo 100 auf der Avus wird die Talfahrt der Stadt nun nicht bremsen. Hans-Martin Tillack

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