: Bonn: Koalitionsvertrag ist fertig
Nach vierzehn Verhandlungsrunden haben sich CDU/CSU und FDP auf ein Regierungsprogramm geeinigt/ Überraschung bei Ressortbesetzungen/ Opposition kritisiert soziale Unausgewogenheit ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Nach vierzehn nervenden Verhandlungsrunden hat sich die Koalition zusammengerauft. Am Ende waren die Partner mit den Beschlüssen hoch zufrieden; gelobt wurde das gute Klima und die „ausgesprochen raschen“ Verhandlungen.
Bei der Besetzung der Ressorts gab es mit dem Wechsel im Entwicklungshilfeministerium von Jürgen Warnke (CSU) zu Carl-Dieter Spranger (CSU) — bislang Staatssekretär im Innenminsiterium — eine Überraschung. Nach der FDP, die künftig fünf Ressorts leiten wird (Möllemann/Wirtschaft, Genscher/ Außen, Adam-Schwaetzer/Bau, Kinkel/Justiz, Ortleb/Bildung) hat die auf ein Ministeramt verzichtende CSU die Finanzminister Theo Waigel und Landwirtschaftsminsiter Ignaz Kiechle bestätigt. Die bisherige Bauministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) wechselt ins neugeschaffene Gesundheitsminsiterium.
Neben Irmgard Adam-Schwaetzer und Hasselfeldt übernimmt die ostdeutsche CDU-Politikerin Angela Merkel das neue Ressort Frauen und Jugend und die Hessin Hannelore Röntsch (CDU) den ebenfalls neugeschneiderten Bereich Familie und Senioren. Verkehrsminister wird der Verhandlungsführer der ehemaligen DDR-Regierung, Günter Krause (CDU).
Zum Abschluß der Verhandlungen hat sich die Koalition beim umstrittenen Mietrecht darauf geeinigt, daß die Mieten bei vor 1980 fertiggestellten Wohnungen innerhalb von drei Jahren künftig um zwanzig Prozent, statt wie bisher 30 Prozent, steigen dürfen. Statt eines von der FDP verlangten Niedrigsteuergebiets FNL wird es ein „besonderes Fördergebiet“ (CDU-Generalsekretär Rühe) geben.
Dort wird auf die Erhebung einer Gewerbekapital- und Vermögenssteuer verzichtet, den Beschäftigten ein zusätzlicher Steuerfreibetrag von 600 Mark (Verheiratete 1200 Mark) zuerkannt und Sonderabschreibungen auf Investitionen gewährt. Durchgesetzt hat sich die FDP beim Wegfall der Gewerbekapital- und Vermögenssteuer ab 1992 oder 1993 auch für die alten Bundesländer. Ab 1995 soll eine generelle Unternehmensteuerreform folgen.
Die Oppositionsparteien SPD, Bündnis 90 und Grüne haben die Beschlüsse scharf kritisiert. Die Koalition habe ihre Wahlversprechen „in schamloser Weise“ gebrochen, habe die Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt und nicht die Kraft aufgebracht, einzusparen und überflüssige Ausgaben zu streichen. Statt der 35 Milliarden Mark an Einsparungen im Haushalt seien es nur vier Milliarden geworden; der Rest werde über Erhöhung der Abgaben, so bei der Arbeitslosenversicherung, hereingeholt. Von der Erhöhung der steuerlichen Freibeträge würden Spitzenverdiener mehr profitieren als Geringverdienende.
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