: Eine amerikanische Männergeschichte
■ Fotografien der Westons im Amerika-Haus
In der für Ausstellungen ungeeigneten, nicht nur wegen der Sicherheitsvorkehrungen an Flughafen erinnernden Atmosphäre des Amerika-Hauses werden noch bis zum 2. Februar Fotoarbeiten von Großvater Edward Weston (Jahrgang 1886), seinem jüngsten Sohn Cole Weston (Jahrgang 1919) und Sproß Kim Weston (Jahrgang 1953) gezeigt. Auf zwei Stockwerken werden hier sechzig Jahre amerikanische Fotogeschichte sichtbar. Die dreifache Betrachtungsmöglichkeit als Familien-, Fotografiegeschichte oder als Fotoausstellung macht »Edward, Cole, Kim — Drei Generationen Fotografie« trotz der Örtlichkeit zu einer sehenswerten Ausstellung.
Die Westons waren Amerikaner, wie wir sie uns vorstellen, unrasiert, in abgetragener Kleidung. Sie ließen sich porträtieren wie einst Heiland Buffalo Bill mit dem rechten Fuß auf erlegtem Büffel, in der Linken seine Winchester. Nicht nur die etymologische Nähe zum Wilden Westen ist erlaubt. Auch die Motive der drei Generationen Fotografie schwanken zwischen der Heroisierung John Fords und den staubigen Perspektiven Sergio Leones.
Die frühen Fotografien aus den Dreißigern und Vierzigern zeigen in der Auswahl des Amerika-Hauses Edward Weston leider nur als Landschafts- und Objektfotograf. Nichts ist zu sehen von seinen aussagekräftigen Fotografien von Arbeiterfamilien aus den Zeiten amerikanischer Depression. Trotzdem ist diese Werkschau, die bei ihm ganz ohne Menschen auskommt, beeindruckend. Wie dieser von der Lust, alles was er sieht festzuhalten Besessene auch wirklich alles fotografierte — mal in Großaufnahme die Rindenstruktur einer Zypresse, mal die wolkenumwobene Landschaft des kargen mittleren Westens!
Der Generationskonflikt blieb zwischen Edward und Cole anscheinend aus, denn Cole führte weiter, was sein Vater begonnen hatte, begleitete ihn sogar 12 Jahre lang auf seinen Fotosafaris. Wenn er nicht ausschließlich Farbfotografien gemacht hätte, wäre nicht zu entscheiden, von wem die Fotos stammen, Vater oder Sohn. Erst mit dem Tod seines Vaters erreichte Cole eine eigene Handschrift, seine Akte werden zum ersten Mal als Inszenierungen sichtbar. Dabei ist das ständige Thema nackte Frau in wilder Landschaft (Gleichung Anima = Weib) zwar recht unergiebig, doch ein Kennzeichen, daß er sich von der kreativen Übermacht seines Vaters (Ödipalkomplex!) lösen konnte. Natürlich erst nach dessen Tod.
Fast direkt sichtbar werden die Streitigkeiten zwischen Vater und Sohn bei dem — bis jetzt — letzten Sproß des Weston-Clans, denn radikaler als es sein Vater tat, tritt Kim Weston schon zum Ende der siebziger Jahre, mit Mitte Zwanzig aus den Fußstapfen von Vater und Großvater. In den Fotoarbeiten der Achtziger, passenderweise wieder Schwarz-Weiß-Fotografien, wird sichtbar, daß er das Weston-Dogma der realistischen Fotografie und der ehrlichen Kamera ablehnt, statt die Landschaften draußen zu suchen, sie innen im Studio malt. Daß er die Inszenierungen nur als Bedeutungsträger sieht und daher seine Fotoserien von Frauen- und Männer-Akten in grob gemalten Environments nur noch mit »Zorn«, »Liebe« etc. betitelt, anstatt wie Vater und Großvater »Zypressenrinde«, »Sonnenblumenfeld in Frankreich« etc. Thomas Sakschewski
Hardenbergstr. 22-24, 1-12, Bis 2.2. Mo, Mi, Fr 11-17 Uhr, Di, Do 11-20 Uhr
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