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Parlamentsbeschluß notwendig-betr.: "Deutsche Soldaten kaum zu stoppen", taz vom 12.1.91

betr.: „Deutsche Soldaten kaum zu stoppen“, taz vom 12.1.91

Mit dem Artikel folgt die taz einer Meinung, die gerade jetzt durchaus wieder Bedeutung gewinnen kann: Danach kann die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundestages Bundeswehrkräfte in die Türkei schicken. Da eine Mehrheit der Bundesbürger entschieden einen Militäreinsatz ablehnt, kommt dieser Argumentation auch für die nächste Zeit erhebliche Bedeutung zu.

Liegt der Sachverhalt tatsächlich so klar, wie dies behauptet wird? Ein renomierter Verfassungsrechtler (Bundesverfassungsgerichtspräsident Herzog) meint in seinem Kommentar, die einschlägige Vorschrift (Artikel 80a Abs.3) sei unzweifelhaft eine der bedenklichsten Bestimmungen, die die Verfassungsnovelle von 1968 (Notstandsgesetze) überhaupt gebracht habe. Nach dieser Vorschrift können im Bündnisfall (also außerhalb des durch den Bundestag festzustellenden Spannungsfalles) gewisse Rechtsvorschriften angewendet werden auf der Grundlage und nach Maßgabe eines Beschlusses, der von einem internationalen Organ ihm Rahmen eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierung gefaßt wird. Liegen die Voraussetzungen vor, könnte die Bundesregierung auch ohne Zustimmung des Bundestages Truppen in die Türkei entsenden. Nach herrschender Meinung in der Literatur kann das Nato-Bündnis aber nicht als entsprechendes internationales Organ angesehen werden: Der Nato-Rat besitzt in der gegenwärtigen Situation aufgrund des bestehenden System der Alarmplanung keine Beschlußrechte. Die Vorschrift konfrontiert nach Herzog daher mit der merkwürdigen Tatsache, daß ihr Automatismus in concreto von Beschlüssen des Nato-Paktes aber keine bindenden, sondern lediglich empfehlende Beschlüsse fassen kann. Damit würde einerseits die Vorschrift völlig leerlaufen oder nur fast beliebig ausgedehnt werden. Nur unter großen Bedenken stimmt dann Herzog einer nach seiner Auffassung fast beliebigen Ausdehnung der Vorschrift zu mit dem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte.

Das allein genügt aber nicht. Der frühere Verfassungsrichter Simon meinte daher zu Recht, die Verfassungsväter hätten erreichen wollen, daß keine Exekutive unseren Staat in einen Krieg stürzen kann. Ein Parlamentsbeschluß sei daher unbedingt notwendig. Für mich steht daher fest: Die Entsendung der Alpha-Jets war verfassungsrechtlich unzulässig. Eine weitere Entsendung von Truppen muß daher auf jeden Fall unterbunden werden und kann nur mit Zustimmung des Bundestages erfolgen. Rainer Schmid, Rechtsanwalt, Nagold

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