Ein Lustmord

■ Vorabdruck. (Noch) nicht indiziert

Da die Messe zu Leipzig viel Volk auf diese Wegstrecke lockte, fanden wir zu Paderborn derart überfüllte Gasthöfe vor, daß wir uns gezwungen sahen, das Zimmer mit einem reichen Kaufmann aus Hamburg zu teilen, der mit seiner Gattin zu der oben erwähnten, berühmten Messe unterwegs war. Kolmark lautete der Name des Händlers, dessen Frau, ungefähr zwanzig Jahre jung, eines der bezauberndsten Geschöpfe war, denen man auf Erden begegnen mochte: und wie ich gestehen muß, erhitzte dieses wunderbare Wesen meinen Kopf nicht minder denn eine überaus stattliche Truhe, welche die beiden vor meinen Augen geflissentlich in einem der Schränke unseres Zimmers einschlossen. Der Wunsch, diese beiden Gegenstände zu besitzen, wühlte mich derart auf, daß ich während der ganzen Nacht kein Auge schloß. Da ihr Wagen ausgebessert wurde, mußten die beiden in dem Gasthof haltmachen, und so schützte ich, um ihnen auf Schritt und Tritt folgen zu können, etwelche Geschäfte vor, die mich gleichfalls einen Tag in Paderborn zurückhalten würden. Somit war offenkundig, daß wir nicht umhin konnten, Bekanntschaft zu schließen, da wir für weitere sechsunddreißig Studen zusammen wohnen sollten. Auf mein Betreiben hin freundete sich Joséphine bald mit ihrer Gefährtin an; man frühstückte gemeinsam; speiste zu Mittag; abends wohnte man dem Schauspiel bei; und beim anschließenden Abendessen legte ich angelegentlichst die Falle, in die ich die beiden Opfer tappen lassen wollte. Lomark war für die Kosten des Mittagessens aufgekommen; es verstand sich demnach von selbst, daß uns diejenigen des Abendessens zufallen würden: Dies war mir Anlaß, die Komödie zu guter Stunde zu verlassen, so daß ich, unter dem Vorwand, die Bestellung aufzugeben, allein im Gasthof eintraf.

— Da ich am Stadtrand einen Freund abholen muß, mit dem ich noch heute nacht nach Berlin aufbreche, sprach ich zu den Bediensteten des Hauses, werde ich umgehendst meinen Wagen beladen lassen und vorausschicken, damit er mich bei meinem Reisegefährten erwarte.

Diese Vorkehrung zog nicht den geringsten Verdacht auf sich; mein ganzes Gepäck wird zum Wagen getragen; dabei lasse ich es nicht fehlen, die Truhe, wohlverhüllt, dazwischenzulegen, die ich verhelfs eines Hauptschlüssels mit leichter Mühe aus dem Schrank geholt hatte, in dem sie eingeschlossen lag.

— Geh, sage ich zum Wagenlenker, als all dies erledigt ist, geh und warte am Berliner Tor auf mich; ich werde mit meiner Frau und meinem Freund nachkommen; es ist leichter, dort haltzumachen als vor seinem Hause, und so wirst du beim Warten wenigstens etwas trinken können; anders als in seiner Wohngegend gibt es bei jenem Tor eine Weinstube.

Alles läuft wie am Schnürchen; und mein Wagen rollte gerade aus dem Gasthof, als Joséphine und unsere beiden Düppel zurückkehrten. Es wurde ein denkbar üppiges Abendbrot gereicht; doch hatte ich in die auf dem Schenktisch bereitgestellten Schalen mit der Nachspeise angelegentlich eine hinreichend hohe Dosis Tollkraut gemengt, um jeden, der von den damit durchsetzten Speisen kostete, in Tiefschlaf zu versetzen. Alles glückt aufs trefflichste: kaum haben Kolmark und seine Gattin diesen verhängnisvollen Nachtisch genascht, fallen sie einer derartigen Gefühllosigkeit anheim, daß man ihnen jedweden Mutwillen treiben und sie auf jedwede erdenkliche Weise verrenken kann, ohne daß sie dabei etwas spüren.

— Halte dich bereit, bedeutete ich Joséphine, als ich gewahrte, daß sie in diesen Zustand gefallen waren; all unsere Sachen sind außer Haus; die Kutsche erwartet uns; ich habe die Truhe, leih mir deine Hand, damit ich diese Frau vögeln kann, die mir den Kopf verdreht; zu guter Letzt wollen wir ihnen Wechselbriefe und Juwelen stehlen; dann aber werden wir still, heimlich und rasch Reißaus nehmen.

Ich nähere mich der Kolmark; ich mag noch so sehr an ihren Röcken zerren, ihre Brüste quetschen, nichts weckt sie auf. Durch diese unverhofft heftig ausgefallene Starrsucht ermutigt, werde ich überaus unternehmungslustig; Joséphine und ich ziehen sie nackt aus. Gott! was für eine Leib! er schien Venus selbst zu gehören.

— O Joséphine, erregte ich mich, nie noch hat mich eine Freveltat so sehr in Wallung versetzt wie diese! doch muß ich das Ganze auf die Spitze treiben: auf mein Rauschgift ist kein rechter Verlaß, und steht allaugenblicklich ihr Erwachen zu befürchten; ich muß die beiden ficken und sie beim Ficken töten.

Ich mache mit der Frau den Anfang; zunächst spieße ich sie von vorne, dann von hinten auf... keinerlei Regung... nicht der Anflug einer Empfindung; ich fülle ihr den Anus mit Ficksaft und gehe zum Herrn Gemahl über. Kolmark, erst dreißigjährig, bot mir einen alabasternen Arsch; nach einigem Auf und Ab lasse ich von ihm ab, um wieder in denjenigen seiner Frau zu gleiten; und während ich in ihr stecke, wünsche ich, daß diesmal auf ihren Leib derjenige ihres Gemahls und auf diesen letzteren die drei Matratzen des zweiten Bettes gelegt werden. Auf mein Geheiß vollführt Joséphine auf den Matratzen Bocksprünge, bis die beiden erstickt sind; im Arsch des Weibes kostete ich voll Wonne jene unsägliche Lust, die darin besteht, ein unseren Lüsten dienstbares Opfer auf gewaltsame Weise zu töten. Man kann sich gar nicht ausmalen, wie sehr die Nervenkrämpfe des Opfers die Lust des Henkers befördern! O meine Freunde! dies Geheimnis wollen wir nicht ausplaudern; würde es bekannt, so mordete ein jeglicher Lüstling sein Lustopfer hin. Nach vollbrachter Tat legen wir die beiden Körper voll Umsicht in ihr Bett, wir behändigen uns ihrer Uhren, Brieftaschen und Juwelen, steigen treppab und durchschreiten die Gaststube, wo sich dank meiner Ankündigung niemand über unsere Abreise wundert.

— Geruhen Sie, Herrn und Frau Kolmark ausschlafen zu lassen, bestellen wir beiläufig; sie lassen darum bitten, daß ihr Zimmer nicht vor Mittag betreten werde: Ihr vorzügliches Mahl, Ihr edler Wein, all dies ist ihnen zu Kopfe gestiegen, und diesetwegen wünschen sie, ausgiebig auszuruhen; wir würden es wohl nicht anders halten, wenn uns die Geschäfte nicht zur Eile anhielten.

Und nach diesen Worten begleichen wir die Schulden, entlohnen die Bediensteten fürstlich und entfernen uns, von allen Seiten mit Höflichkeiten überhäuft, sodann eilen wir wie im Fluge nach Berlin, ohne weiteren Zwischenhalt. Erst in dieser Hauptstadt von Preußen stellen wir fest, daß sich der Wert der mit Edelsteinen gefüllten Truhe und des restlichen Diebesguts auf mehr denn zwei Millionen belief.

— O Joséphine, jubelte ich, als ich diese willkommene Beute begutachtete, habe ich dir nicht stets gesagt, daß uns das eine Verbrechen für das andere bürgt und daß derjenige, der es versteht, die meisten Verbrechen zu begehen, zum glücklichsten aller Menschen wird? Marquis de Sade

Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Der Band Justine und Juliette, 2 , herausgegeben, neu übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Stefan Zweifel, erscheint im Frühjahr im Verlag Matthes & Seitz. Es handelt sich um die ungekürzte Fassung des Romans — erstmalig in deutscher Sprache, es folgen weitere acht Bände. Mit 14 farbigen Zeichnungen von Martina Rügler sowie Essays von Viktor Jerofejew und Michel Delon. ca. 350 Seiten, geb., 68 DM.