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Ein „genialer Plan“

■ Eine Aktiengesellschaft soll den Hamburger SV sanieren PRESS-SCHLAG

Und er lodert wie ein emsländisches Torffeld, der Jürgen Hunke, seit 19. November vergangenen Jahres Präsident des Hamburger SV. Kein Wunder, schließlich hatte er kurz nach seiner Inthronisation bekannt, man müsse „selber brennen, um andere entzünden“ zu können. Seit der 47jährige Versicherungsdealer das Ruder beim bis dahin siechen Traditionsverein übernommen hat, vergeht kein Tag, an dem nicht irgendetwas Schlagzeilenträchtiges mit dem HSV passiert.

So zum Beispiel die Idee, dem HSV eine Aktiengesellschaft anzugliedern. Ein Ausweg, so Schatzmeister Manhard Gerber, den „professionellen Fußball von den Unwägbarkeiten des Spieler- und Medienmarktes unabhängig“ zu machen. Im Kern sieht dieser Plan, dem der DFB in Frankfurt am Main „neutral gegenübersteht“ (Pressesprecher Wolfgang Niersbach), vor, daß ab Mitte April der HSV in drei sportliche und zwei finanzielle Sektoren getrennt wird. Der gemeinnützige Breitensportbereich beispielsweise würde nicht mehr an die Konjunkturen des Profigeschäfts angekoppelt. Klammer der fünf „gläsernen Elemente“ (Hunke): ein leitendes Gremium mit dem derzeit amtierenden Präsidium an der Spitze. Der „grandiose, ja geniale Plan“, so Hunke, sei nur in einer Hinsicht schwierig: daß er nämlich überhaupt nicht schwierig ist und „keine Ecken hat“.

Im gröberen Detail — denn Erläuterungen des Kleingedruckten behielt sich Hunke für die außerordentliche Mitgliederversammlung am 15. April vor — heißt dies: Zu einem noch nicht näher bekannten Stichtag verscheuert der HSV via Hamburger Bankschalter 3.600 Anteilsscheine im Nennwert von je 1.000 Mark. Und wenn nun alle HSVolksaktien verkauft sind, frohlockt Hunke, wären 36 Millionen Mark zusammen. Von diesen wiederum gingen etwa zehn Millionen als Kredit an den Verein zurück — denn genau mit dieser Summe steht der HSV bei verschiedenen Stellen in der Kreide. Die Zinsen, träumt Hunke, gehen dann als Dividende an die HSV Sport AG, wie die sogenannte Aktiengesellschaft benannt werden soll.

Weitere Anreiz für mögliche Couponschneider referierte Hunke ebenfalls: „Verbilligte Eintrittskarten und, viel wichtiger und eigentliches Anliegen von mir — die positive Bindung an den Verein“, also mit anderen Worten: „Keine Aktie als Kapitalanlage, sondern als emotionale Unterstützung.“ Offen bleibt bei dieser Idee lediglich, wer eigentlich bei einem Zuschauerschnitt von knapp 20.000 pro Heimspiel diese Aktien kaufen soll.

Und überhaupt: An der Solidität des Unternehmens zweifeln Fachleute aus der Geldbranche sehr. Bemängelt wird nicht nur, daß dem Wert der Aktien kaum reale Gegenwerte entgegengestehen. Denn der Versicherungswert des Profispielerkaders („Wenn ein Flugzeug mit den Spielern heute abstürzt, kriegt der HSV 16 Millionen“) als Sicherheit zu rechnen, ist aktienrechtlich untersagt. Und das 30 Millionen Mark werte HSV- Trainingsgelände an Hamburgs Peripherie als Sicherheit zu stellen, geht nicht: Das vom ehemaligen HSV-Präsidenten Paul Hauenschild gestiftete Gelände ist der Jugend- und Nachwuchsarbeit des Vereins vorbehalten. Darüber hinaus müsse, so sagen Experten, eine AG einen anderen Zweck als den der billigen Geldbeschaffung haben, die Kreditvergabe jedenfalls falle unter das Bankengesetz und sei ausschließlich Geldhäusern vorbehalten.

Hunke weist alle Bedenken von sich, neigt auf Pressekonferenzen auch dazu, präzise Nachfragen mit hochrotem Kopf und schriller Stimme abzuwürgen: „Seien Sie doch positiv, wir wollen doch alle, daß es dem HSV gutgeht.“ Auf die Idee, die 4.000 Vereinsmitglieder mit Sammelbüchsen auszurüsten, ist er bislang nicht gekommen. Doch ein Freund des Steuermanns Hunke weiß: „Darauf kommt er garantiert noch.“ Als ehemaliger Versicherungsdrücker weiß Hunke schließlich genau, daß thinking positive zur Grundausstattung jedes Verkäufers gehört. JaF

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