: Tausende: Stoppt den Krieg
■ Wut und Verzweiflung unter Kriegsgegnern in den USA/ Demonstration in Paris verboten/ Genf zum Schutzgebiet für Deserteure erklärt
Washington/Paris (taz/afp/ap/ dpa/adn) — Zwei Stunden marschierten 400 Demonstranten Krach schlagend kreuz und quer durch Washington. Wütend und verzweifelt hatten sie ihren Versammlungspunkt gegenüber dem Weißen Haus nach der Fernsehansprache von George Bush um 21 Uhr Ortszeit verlassen. Etwa 200 Polizisten vertrieben im Laufe des Abends 150 BlockiererInnen von den Fahrbahnen.
Es waren vornehmlich Jugendliche, die durch die „Koalition zum Stopp des Krieges am Persischen Golf“ vom Angriff benachrichtigt wurden und sich dann zum Weißen Haus aufgemacht hatten. Viele derer, die hinter dem Megaphon gegen das Bombardement anschrieen, waren froh, an diesem Abend nicht allein sein zu müssen. Und doch waren es viel zu wenige, die hier demonstrierten. „Das ist, weil wir Amerikaner es nicht gelernt haben aufzustehen und unsere Meinung zu vertreten“, sagte ein Demonstrant, der zwei Stunden ununterbrochen mit seinem Holzstock auf einen Plastikeimer schlug.
Im Gegensatz zum Vietnamkrieg scheint die Behandlung der Anti- Golfkriegsdemonstranten durch die Bush-Regierung „milder und freundlicher“ zu sein, als zu den Zeiten Lyndon Johnsons und Richard Nixons. Regierungssprecher Fitzwater hatte den sich schon seit Tagen auf der Straße äußernden Dissenz sogar als Zeichen einer funktionierenden Demokratie bezeichnet. Und auch Bush gab sich angesichts der Proteste bisher gelassen.
Überall im Land versammelten sich friedensbewegte Bürger als Reaktion auf den Luftangriff auf den Irak, insbesondere in den Westküstenstädten Seattle, San Francisco und Los Angeles. Auch in anderen Städten der USA protestierten Menschen am Mittwoch abend gegen den Krieg am Golf. In Boston (Massachussetts) wurden 65 Demonstranten festgenommen. Die rund 100 Besetzer des Parlaments im Bundesstaat Washington verließen am Mittwoch abend wieder das Gebäude. In New York entzündeten an der Jesaja- Mauer in der Nähe der UNO tausende von Demonstranten Kerzen.
In Paris ist eine für Donnerstag abend angekündigte Demonstration gegen den Golfkrieg verboten worden. Dadurch solle eine Störung der öffentlichen Ordnung vermieden werden, hieß es bei der Polizeipräfektur. Am Vortag war in Paris trotz eines Verbots gegen das französische Militärengagement demonstriert worden. Zu der Kundgebung hatten vor allem die Kommunistische Partei und Gewerkschaft CGT aufgerufen. Die wahren Ziele des Golfkrieges seien „Erdöl, Dollar, Vorherrschaft“ und nicht die Befreiung, erklärte KP-Chef Georges Marchais am gestrigen Donnerstag. Die kommunistische Gewerkschaft CGT rief die Arbeitnehmer zu „allen Formen“ des Protests auf: „Versammlungen, Debatten, Konsultationen, Arbeitsniederlegungen“. Die französisch- irakische Freundschaftsgesellschaft hat gestern beschlossen, „ihre Tätigkeit bis auf weiteres einzustellen“. Dies, so der Vorstand, bedeute aber „nicht, daß die Freunde des irakischen Volkes beschlossen haben, die von den Vereinigten Staaten geführten militärischen Operationen ohne Reaktion hinzunehmen“.
Eine Vereinigung von Gegnern des Golfkriegs hat Genf zum „Schutzgebiet für Deserteure“ erklärt und die Behörden der Stadt aufgefordert, eine entsprechende Erklärung zu unterzeichnen. Sie rief für Donnerstag nachmittag und Samstag zu Kundgebungen auf dem Platz der Nationen in Genf auf. Die breite Verweigerungswelle, die bereits begonnen habe, werde noch stärker werden, solange die Kriegslogik andauere, hieß es in dem Aufruf.
In der österreichischen Hauptstadt Wien war für Donnerstag abend eine Anti-Kriegsdemonstration vom Bundeskanzleramt zur US-Botschaft geplant. Der traditionelle Opernball für die Wiener Schickeria fällt auf Initiative von Kanzler Vranitzky dieses Jahr aus.
Die Kunde vom Kriegsbeginn rief in den australischen Städten Melbourne und Sydney noch während der Nachtstunden hunderte Menschen ins Freie, Straßen wurden blockiert, der Verkehr teilweise lahmgelegt.
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